"Die lustigen Weiber": Fran Luban (Frau Reich), Konstantin Sfiris (Falstaff), Margareta Klobucar (Frau Fluth).

Foto: Grazer Oper/Dimo Dimov
Die Grazer Oper eröffnete die neue Saison mit einem Doppelpack an Opernromantik: Sowohl Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" als auch Otto Nicolais "Lustige Weiber von Windsor" wurden trotz aparter szenischer Konzepte zu Publikumserfolgen.


Graz - In Windsor müsste man sein. Dort haben Damen allen Grund zum Lustigsein. In der steirischen Landeshauptstadt hat sich der weibliche Spaß am vergangenen Sonntag allerdings in der Hauptsache auf die Bühne des dortigen Opernhauses beschränkt und ist von dort nicht selten auch aufs Publikum übergesprungen. Weil lustig nun einmal das Gegenteil von ernst bedeutet, hat auch Regisseur Michael Schilhan Otto Nicolais Lustige Weiber von Windsor nicht ernst, sondern lustig zu nehmen und zu bringen versucht. Im Stil einer amerikanischen TV-Serie aus den 50er-Jahren.

Mignon Ritter und Gerhard Mayer stellen dazu zwei von miefiger Sauberkeit strotzende Küchen auf die Bühne, in denen sich Frau Fluth (Margareta Klubucar) und Frau Reich (Fran Luban), von Michaela Mayer-Michnay zum Zerkugeln adrett angezogen über Sir John Falstaff dreiste Annäherungsversuche entrüsten. Im Verlauf der Aufführung dürfen sich die Lachmuskeln allerdings hinlänglich erholen, sodass nach dem stimmungslos gschnasigen Finale der Regisseur der einzige war, der beim Beifallsdefilee bis zur Ekstase erheitert wirkte. Klammert man einmal die nicht unwichtige Frage aus, warum man dieses Werk spielt, wenn man keinen stimmlich überzeugenden Falstaff hat, bestach diese Premiere nach einer etwas undifferenzierten Ouvertüre vor allem durch ihr von Richard Wien vom Pult aus sehr umsichtig vorgegebenes musikalisches Niveau. Zu diesem trugen vor allem Margareta Klobucar mit bravourösen Koloraturen und Marlin Miller als Fenton durch lyrische Tenorkantilenen bei.

Hoffmann mit Zylinder

Von ähnlich absteigendem szenischen Interesse präsentierte sich am Vortag auch die Neuproduktion von Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen. Dieses unvollendet gebliebene Werk ist im Verlauf der letzten Jahrzehnte nach mehrmaligen Erweiterungen, die es durch diverse Manuskriptfunde erfahren hat, zu einer Art von Materialiensammlung geworden, aus der nun ein jeder nach Belieben seine Version zusammenbauen kann. Tatjana Gürbaca, der Regisseurin der neuen Grazer Version, war auch das noch zu wenig. Sie gestaltete das Werk zu einer teils deutschen, teils französischen Show um, in der sie der Gestalt des Niklas die Funktion des Conférenciers übertrug. Mit der in beiden Sprachen sowohl singend wie agierend gleich charmanten und gewandten Mezzosopranistin Sophie Marilley schien dieses Konzept vor allem mit einem bizarr attraktiven Olympia-Akt bis zur Pause auch voll aufzugehen.

Danach allerdings ereignete sich alles in einem von riesigen Zylindern dominierten atmosphärischen Niemandsland. Völlig unstimmig wird die Gestalt des Franz im Antonia-Bild zu einer Charly- Chaplin-Paraphrase. Und auch die Barkarole mit Giulietta und ihrem gespenstischem Gefolge hat nichts als Zylinder zum Schauplatz. Es scheint, als wären der Regisseurin und dem Bühnenbildner (Hans Dieter Schaal) einfach die Ideen ausgegangen oder sie hätten einfach die Lust an der Sache verloren. Was beim Betrachter auch wegen der trotz Wolfgang Bozic am Pult etwas blassen Orchesterleistung auch der Fall hätte sein können.

Doch einige solistische Leistungen verliehen dieser Aufführung doch auch markante Akzente. Vor allem Hyon Lees mit geradezu improvisatorischer Leichtigkeit vorgetragene Olympiakoloraturen signalisierten hohes musikdramatisches Format. Jean-Piere Furlan bringt für den Hoffmann nicht unbedingt einen strahlenden, dafür aber einen intensiven, emotionsgesteuerten Tenor mit, der mit der Eindringlichkeit seines Spiels bestens korrespondiert. Philippe Rouillon wirkte in den Partien seiner dämonischen Gegenspieler – Coppelius, Mirakel, Dapertutto – von der Regie ziemlich verlassen und nur auf seine kultivierte Stimme verwiesen. Riki Guy als in den Höhen ziemlich angestrengt wirkende Antonia und Isabelle Cals solide Giulietta ergaben gemeinsam mit dem insgesamt firmen Rest des Ensembles das sichere Fundament für einen szenisch nicht ganz fertig wirkenden Saisonauftakt. (DER STANDARD, Printausgabe vom 4.10.2005)