Wien – Yasmin (Archie Panjabi) lebt in Nordengland. Ihre Familie stammt aus Pakistan, und während der verwitwete Vater auf die Fortführung gewisser Traditionen besteht, gehen Yasmin und ihr Bruder außerhalb seines unmittelbaren Einflussbereichs längst eigene, an ihrem britischen Umfeld orientierte Wege.
In diesem Zwiespalt hat sich die Protagonistin halbwegs eingerichtet. An ihrer Arbeitsstelle im Nachbarort tritt sie in Jeans und T-Shirt in Erscheinung, auf dem Weg nach Hause legt sie traditionelle Kleider an. An beiden Orten weiß sie sich zu behaupten: Den entfernten Cousin, mit dem sie auf Wunsch des Vaters eine Zweckehe eingegangen ist, hat sie nur in ihrem Haus aufgenommen. Sie selber entwickelt derweil ein vorsichtiges Interesse an ihrem Arbeitskollegen John . . .
Was als ein Film über die Problematik dieser Doppelexistenz, die damit verbundenen Heimlichkeiten und Interessenkonflikte beginnt, erhält dann jedoch unerwartet eine größere, gewissermaßen weltpolitische Dimension: Yasmin spielt im Spätsommer 2001. Während eines Geburtstagsumtrunks sind auf dem TV-Monitor im Hintergrund plötzlich die Bilder der einstürzenden Twin Towers zu sehen, und am nächsten Tag hört Yasmin zum ersten Mal den Namen Osama - die entsprechenden Anspielungen der Kollegen kann sie zunächst gar nicht begreifen.
Außenseiterposition
Die Zuschreibungen und Anfeindungen, die sie in der Folge erlebt, bringen ihre labile Strategie fürs Leben in zwei Welten ins Wanken: Yasmin sieht sich plötzlich in eine Außenseiterposition gedrängt, die Kolleginnen schreiben "Taliban Van" auf ihr Auto, die Personalchefin legt ihr einen Urlaub nahe. Aufgrund solcher Zuschreibungen und Erfahrungen beginnt sie mehr und mehr, sich auch bewusst für die Rolle der Muslimin zu entscheiden, die sie eigentlich nie einnehmen wollte.
Yasmin, entstanden 2004, der zweite Spielfilm des britischen Regisseurs Kenny Glenaan, erinnert an die Arbeiten seines Landsmanns Ken Loach. Letzterer hat ein verwandtes Thema kürzlich als Komödie inszeniert (Ae Fond Kiss). Glenaan beschreibt eine Situation, in der Vorurteile und Projektionen erst das hervorbringen, wovon sie sich vorher bereits vehement abgrenzen, und er hat sein Anliegen in ein mitunter allzu vorhersehbar wirkendes, zu funktional gedachtes Drama übersetzt. Woran nicht zuletzt die Nebenfiguren leiden, deren Entwicklung in wenigen Szenen quasi schlagwortartig entworfen wird. Ganz abgesehen von den wiederkehrenden, beiläufigen Ansichten einer das Geschehen stumm beobachtenden Nachbarschaft.