Tom Eller und sein Logo

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Das Flex, Österreichs einziger Club für alternative Jugendkultur mit internationaler Reputation, feiert sein zehnjähriges Bestehen am Donaukanal und bietet daher einen Monat lang ein Jubiläumsprogramm. Eine Rück- und Vorschau mit dem Gründer Tom Eller.


Wien – Als heuer im Sommer unter anderem die ÖVP Wien einen Abschnitt des Donaukanals mit einem Stadtstrand behübschte und die Idee der Kanalbelebung auch gleich für sich zu reklamieren versuchte, unterstellten ihr manche Stadtmenschen Kurzsichtigkeit, ja gar Ignoranz. Denn ein Blick auf das andere Ufer hätte genügt, um festzustellen, dass dort schon lange ein Lokal namens Flex besteht. Mit einer Fassade so bunt, dass man es gar nicht übersehen kann – es sei denn, man will.

Das Flex zeigt seit zehn Jahren, welches Lebensgefühl Kultur am Kanal in der Bundeshauptstadt auslösen kann und feiert das den ganzen Oktober lang mit einem Jubiläumsprogramm (siehe Kasten rechts). Der Geschäftsführer und Obmann des Vereins, Tom Eller: "Das Flex war sicher ein Motor in der Entwicklung der Kanalbelebung, auch wenn es in ÖVP-Broschüren beharrlich verschwiegen wird."

Mit oder ohne Anerkennung der ÖVP erarbeitete sich das in einem ungenützten U-Bahn- Stollen errichtete Lokal die Reputation eines der besten Clubs Europas. Eine Einschätzung, die nicht nur DJ-Stars oder Bands aus aller Welt bestätigen. So sind Eller und sein Team stolz darauf, dass etwa der US-Techno-Superstar Jeff Mills lieber um die halbe Gage im Flex auflegt als um das doppelte Moos im Gasometer.

Auch internationale Magazine küren das Flex regelmäßig zum Top-Club. Und für heimische Aushängeschilder wie Kruder & Dorfmeister oder Pulsinger und Tunakan war das von Graffiti reichlich verzierte Lokal einer der wesentlichen Ausgangspunkte ihrer Karrieren. Bis heute hat das Lokal mit dem Haifischlogo – bei aller Etablierung – in popkulturellen Dingen und Trends die Nase vorn. Eller: "Unser Vorbild ist der Donaukanal – immer in Bewegung bleiben."

Proteste & Umzug

Gegründet wurde das Ur- Flex 1990 in Meidling. In der Arndtstraße betrieb man einen grindigen Schuppen und veranstaltete rund 300 Konzerte, die von ebenso vielen Polizeieinsätzen begleitet waren. 1993 schloss man freiwillig, im Jänner 1994 begannen die Bauarbeiten am Donaukanal, wo am 1. Oktober 1995 Wiedereröffnung gefeiert wurde – gegen die Proteste von ÖVP und FPÖ, die der damalige Bürgermeister Helmut Zilk mit der ihm eigenen Art vom Tisch fegte. Eller im Jahr 2000 zum Standard: "Zilk formulierte es so, dass es der verbohrteste Beamtenschädel verstanden hat." Doch damit war längst nicht alles eitel Wonne. Eller: "1996 wurde die Drogenszene aus dem Stadtpark vertrieben und hat sich am Donaukanal eingenistet. Die Polizei schaut seit damals zu und akzeptiert, dass unsere Gäste von Dealern angequatscht werden."

Um das Flex nicht zu der von seinen Gegnern herbeigeredeten "Drogenhölle" werden zu lassen, setzte der heute 38- jährige Exiltiroler einen Securitydienst ein und installierte Kameras am Abgang zum Lokal. Drogenrazzien im Lokal waren fünf Jahre lang ergebnislos, in den letzten Jahren hat sich das Verhältnis zur Polizei unter Einsatz eines Kontaktbeamten normalisiert, betont Eller.

Trotzdem bringen rund 200.000 Gäste pro Jahr, die von rund 50 Angestellten betreut werden, Probleme mit sich. Heuer wurde das Flex dafür kritisiert, dass es die Taschen seiner Gastgartengäste auf mitgebrachte Getränke durchsuchte.

Anarchie & Notbremse

Eller: "Das war ein Überlebensgebot. Wenn in lauen Nächten mehr als die Hälfte der Tische mit Selbstversorgern bevölkert sind, die Müll hinterlassen, den wir teuer entsorgen müssen, geht das zu weit. Wir haben das zehn Jahre lang toleriert. Vom Flex erwartet man, Dinge zu tolerieren, die anderswo undenkbar wären. Eine Art anarchistisches Testgelände. Das ist auch okay für mich. Aber wenn das betriebswirtschaftliche Gleichgewicht zu kippen droht, ist es als Geschäftsführer meine Pflicht, die Notbremse zu ziehen."

Das Flex liefert wie andere Lokale alle Steuern ab und kommt ohne öffentliche Zuwendungen aus. Das erwirtschaftete Geld wird großteils reinvestiert. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens werden neue, vergrößerte Toilettenanlagen gebaut, es kommt eine adaptierte, interaktive Website und für den Saal wurde eine neue Tonanlage angeschafft – ohne die legendären Basshörner, die einen Gutteil des guten Rufs des Clubs verantworten, auszutauschen.

Im Entstehen ist außerdem ein Glaspavillon, der den hässlichen Vorbau, der das Flex seit letztem Jahr verunstaltet, ablösen wird. Eller: "Das wird dann wieder vielen zu schick sein, aber damit kann ich leben." Wahrscheinlich auch zu schick wird vielen das ebenfalls geplante Flussschwimmbad sein, das nächste Großprojekt. Auf einem vor dem Flex verankerten Schiff wird ein Schwimmbad errichtet werden.

Was waren seine persönlichen Höhe- und Tiefpunkte in all der Zeit? Eller: "Vor vier Jahren habe ich zufällig erfahren, dass aus dem Flex ein Abluftkanal für die neue U2 werden sollte. All die Arbeit und Investitionen schienen plötzlich umsonst gewesen sein. Das war ein Schock. Als Bürgermeister Häupl daraufhin mit 'Das Flex bleibt' ein Machtwort sprach, war das von der Anerkennung her der Höhepunkt." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.9.2005)