In Krems wurde das älteste Grab Österreichs, eine Doppelbestattung zweier Säuglinge (im Bild), entdeckt.

Foto: ÖAW

Krems – Sie werden heute schon als "die Zwillinge von Krems" bejubelt. Ob sie jedoch Geschwister waren, muss noch geklärt werden. Fest steht aber, dass Archäologen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit den fossilen Überresten zweier gemeinsam bestatteter Babys das älteste und am besten erhaltene Grab in Österreich zutage gefördert haben. Der eiszeitliche Sensationsfund auf dem niederösterreichischen Wachtberg von Krems ist rund 27.000 Jahre alt: Die Skelette der beiden Säuglinge, eingewickelt vermutlich in organisches Material und mit Rötel eingefärbt, lagen vom Schulterblatt eines Mammuts bedeckt unter einer 15 Meter hohen Lössschicht.

Der Donauraum rund um diesen Fundort gilt als eine der archäologisch bedeutendsten Regionen in Österreich (siehe nebenstehender Artikel). "Wir haben hier unter meterhohen Lössdecken etliche übereinander liegende Kulturschichten gefunden, die auf eine uralte Besiedlung schließen lassen", erklärt ÖAW-Forschungsleiterin Christine Neugebauer-Maresch dem STANDARD. "Die frühesten Zeugen solcher Siedlungstätigkeit, die wir erst kürzlich gefunden haben, sind 45.000 Jahre alt." Halbwegs kontinuierliche Besiedlung – in Winter- und Sommerlager, die immer wieder bezogen und verlassen wurden, da die Menschen auch noch als nomadisierende Jäger und Sammler unterwegs waren – ist laut der Forscherin "seit wenigstens 27.000 Jahren belegt." Und wie belegt man das?

Durch moderne Altersbestimmung fossiler Fundstücke in den Lössschichten, sagt die Archäologin. Diese ordnet man dann samt darin enthaltenen Objekten in zeitlich begrenzbare Kulturschichten ein. In jener, in der nun die Säuglinge entdeckt wurden, waren bereits mehr als 10.000 Fundstücke geborgen und analysiert worden: mikrolithische Säge, Klingen, Elfenbeinstäbchen und ein Tonobjekt.

Auf moderne Technik setzt Neugebauer-Maresch auch bei der weiteren Erforschung der Säuglingsknochen: "Wir hoffen, DNA isolieren zu können." Über die Erbgutanalyse wäre die Bestimmung der Geschlechter der Babys, des Verwandtschaftsverhältnisses, vielleicht sogar deren Todesursache möglich. Was man heute schon weiß: Aufgrund der rituellen Bestattung unter einem Mammutschulterblatt samt Grabbeigaben wie einer Kette aus Schmuckperlen muss es sich um Lebendgeburten gehandelt haben, die kurz nach der Geburt gestorben sind. Bisher war erst einmal ein so altes Grab gefunden worden: In Spitz an der Donau wurden die Fundstücke 1896 von der damaligen Besitzerin des Grundstückes aus Aberglauben zerschlagen und ins Wasser geworfen.

Jahrtausendealte Kultur im Donauraum: Angenehmes Klima machte das Gebiet rund um Krems zum beliebten Siedlungsraum

Krems – Das Klima im Donauraum rund um die Wachau und das untere Krems- und Kamptal schuf in diesem Gebiet nicht nur ideale Bedingungen für den Weinbau. Es ließ die Gegend auch zu einem der frühesten Siedlungs- und Kulturräume in Österreich werden. Ein wesentliche Rolle dabei spielte auch die Topographie der Landschaft: So liegt die jetzige Fundstelle der vor rund 27.000 Jahren gemeinsam bestatteten Säuglinge auf einer südseitigen Anhöhe, die einen freien Blick auf das Umfeld ermöglicht – so konnten die Menschen der Altsteinzeit herannahende Feinde rechtzeitig erkennen.

Die letzte Warmphase hatte ihren Höhepunkt vor rund 40.000 Jahren erreicht, die Eiszeit erreichte ihre Tiefstand vor ungefähr 20.000 Jahren. Flüsse, Vegetation und Landschaft bescherten dem Donauraum lange Zeit gemäßigtes, für Mensch und Tier angenehmes Klima. Die Säuglingsbestattung fällt in die "mittlere Phase der jüngeren Altsteinzeit": Die Epoche primitiver Faustkeile ist vorbei, Menschen fertigen feine Schneidwerkzeuge aus Stein, je nach Bedarf auch mit langen schmalen Klingen. Holz, Knochen, Elfenbein werden eingesetzt, fein gearbeitete Kunstobjekte entstehen.

Das bekannteste aus diesem Raum ist die "Venus von Willendorf", 1908 bei Willendorf in der Wachau entdeckt. Aus Kalkstein hergestellt, gilt die elf Zentimeter große üppige Frauenfigur als Fruchtbarkeitssymbol. 7000 Jahre älter ist jedoch Fanny. Die 7,2 Zentimeter große Statuette aus grünlich glänzendem Schiefer wurde 1989 am Galgenberg bei Stratzing/Krems-Rehberg ausgegraben und wegen ihres tänzerischen Ausdrucks nach der berühmten Fanny Elßler getauft. Dass sie als Tanzende dargestellt ist, assoziieren Forscher mit schamanischen Trance-Praktiken der damaligen Kultur der dortigen Menschen. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25. 9. 2005)