Wien - Wien war das Paradies für Politologen, die am Gender-Gap interessiert waren. Der Fachbegriff bezeichnet das Faktum, dass Frauen anders wählen als Männer. In Wien war es besonders leicht zu erforschen: Gab es doch hier bis 1996 verschiedenfarbige Stimmzettel - rosa für Frauen, blau für Männer.
Aber auch danach und außerhalb Wiens ist das Phänomen Gender-Gap in Österreich eine Konstante bei Wahlen: Frauen wählen anders, bei der Nationalratswahl etwa haben 50 Prozent der Männer für Schwarz-Blau votiert, aber nur 39 Prozent der Frauen.
"Gerade für konservative Parteien ist eine weibliche Kandidatin eine große Chance. Denn mit ihr kann der Gender-Gap verringert werden", analysiert Politologe Peter Filzmaier, warum es für Parteien links der Mitte attraktiv ist, eine Kandidatin aufzustellen. Dafür ist Österreich ein Paradebeispiel: Die erste Landeshauptfrau (Waltraud Klasnic) kam von der ÖVP, die erste Vizekanzlerin (Susanne Riess-Passer) von der FPÖ, die erste Nationalratspräsidentin (Marga Hubinek) von der ÖVP.
Die Strategie mit der Frauenkarte kann Erfolg versprechend sein: Bei der Bundespräsidentenwahl etwa hat laut Peter Ulram vom ÖVP-nahen Fessel-Institut eine knappe Mehrheit der Frauen Benita Ferrero-Waldner gewählt. Nur die Pensionistinnen waren eine Bank für Heinz Fischer.
Auch bei den Landtagswahlen spielt der Frauen-Faktor eine Rolle: Wiens Michael Häupl lässt neben ihm vor allem seine Stadträtinnen ins Bild rücken. Und in der Steiermark wird Landesmama Waltraud Klasnic inszeniert.
Partei oder Geschlecht
Wobei Meinungsforscher David Pfarrhofer vom Linzer market-Institut schon überzeugt ist, dass die Partei der wesentlich wichtigere Faktor ist als das Geschlecht. Für manche sei eine Frau in Spitzenämtern nicht vorstellbar - für andere wieder ist ein konservativer Spitzenkandidat nicht wählbar, selbst wenn diese Person weiblich ist: "Sich zu beklagen, dass ,linke Emanzen' eine ÖVP-Kandidatin nicht gewählt haben, ist ja nicht besonders originell: Gender-Voting oder Frauensolidarität wirken ja nur in geringem Maße über Lagergrenzen hinaus. Eine Kandidatin muss zuerst einmal politisch attraktiv für die potenziellen Wähler sein, erst dann kommt vielleicht eine andere Attraktivität ins Spiel."