Wien - "An vielen Schulen herrscht ein Klima der Angst und Verunsicherung", sagt Franz Landsteiner, Lehrer der HBLA Michelbeuerngasse im neunten Bezirk. Die Schüler wüssten genau, auf welche Arbeitsmarktsituation sie zusteuern. Seit Jahren gebe es circa 6000 Lehrstellen zu wenig, hebt der HBLA-Lehrer hervor: "Diese Perspektivenlosigkeit steigert latent die Aggression", so Landsteiner.

Auch psychischer Gewalt - als Mobbing bezeichnet - ist man im Klassenzimmer ausgesetzt. "Alle gehen immer auf den Schwächeren los", weiß Lisa Lehr (14), Schülerin der St.-Franziskus-Schule (3. Bezirk). Besorgte Eltern hätten Landsteiner kontaktiert, weil ihr Kind von anderen Klassenkameraden gemobbt wurde und Angst vor jedem Schultag hatte. Einzelgespräche mit allen Beteiligten ergaben, dass viele, die mobben, selbst lange gemobbt wurden.

Orte der Entlastung

Landsteiner wünscht sich für Schüler einfacheren Zugang zu psychologischer Betreuung: "Es gibt zwar einen Schularzt an der Schule, aber keinen Schulpsychologen." Schüler hätten massive Probleme mit sich selbst, mit ihrer Umwelt, aber keinen Ort, wo sie sich entlasten können, unterstreicht Landsteiner.

Eine andere Form der Gewaltprävention, die es seit 1995 an einigen österreichischen Schulen gibt, ist die Schulmediation. Mitschüler als Peer-Mediatoren vermitteln und helfen ihren Kollegen bei deren Problemen. Speziell ausgebildete Lehrer (Peer-Betreuer) schulen Peer-Mediatoren meist in "unverbindlichen Übungen" in der Oberstufe. Es werden auch schulexterne Kurse angeboten.

"Die zunehmende Gewaltbereitschaft zwischen Jugendlichen hat mich dazu gebracht, mich für den Freigegenstand anzumelden", sagt Jessica Gänsdorfer (18), eine Schülerin Landsteiners.

Dennoch: "Mediation ist keine Wunderwaffe", meint Susanne Scherf, Mediatorin im Volksschulbereich und für angehende Pflichtschullehrer. Man müsse sich allgemein etwas zur Gewaltprävention überlegen und dazu, wie die Gesellschaft mit Konflikten umgeht. Immer wieder komme es zur Überforderung der als Peer-Mediatoren tätigen Schüler, kritisiert Scherf weiter. "In der Oberstufe melden sich meistens Schüler für die Mediatorentätigkeit, die ohnedies viele Aufgaben übernommen haben und sich zusätzlich belasten", so Scherf.

"Schüler sind vor Ort und haben eine höhere Akzeptanz als Erwachsene", unterstreicht Landsteiner. Zudem änderten junge Mediatoren selbst ihr Konfliktverhalten.

Kinder als Streithelfer in der Volksschule auszubilden lehnt Scherf aufgrund "absoluter Überforderung" ab. (DER STANDARD-Printausgabe, 20.9.2005)