Am Vortag kam Kevin, ein 14-jähriger Schüler der Lehranstalt ums Leben. Ein Mitschüler stach ihm mit einem acht Zentimeter langen Fixiermesser - welches man bereits um knappe fünf Euro bekommt - in Bauch und Herz.
Die Glocke des benachbarten Gymnasiums, in dem auch Kevin Freunde und Bekannte hatte, läutet und Schüler strömen heraus. Einige gehen direkt zum Eingang des Polytechnikums. Dort legen sie Blumen nieder - jeder eine - und verabschieden sich.
Ein sichtlich geknickter Junge setzt sich neben den Blumen auf den Boden. Er hält den grünen Zettel in seinen Händen und starrt auf das Foto von Kevin. Zeitweise blickt er auf und schaut in den bewölkten Himmel. "Warum", scheint sein Blick zu fragen.
"Ich sehe die Blumen, wir reden darüber und ich höre die Nachrichten, aber ich kann einfach nicht begreifen warum", sagt ein Mädchen. Fragen nach der Verantwortung und dem Tathergang prägen die Diskussionen vor der Schule. Für rationale Antworten ist es zu früh, Fassungslosigkeit und Wut überwiegen.
Eine langjährige Freundin des Opfers erzählt uns, dass ihr das Aufwachen am Freitagmorgen wie das Ende eines bösen Traums schien: "Doch dann habe ich den Fernseher eingeschalten und im Teletext stand es schon wieder da."
Medienbelagerung ...
"Nachdem ich einen ganzen Tag geweint hatte, wollte ich alles vergessen, aber im Internet, im Fernsehen auf fast jedem Kanal war unsere Schule zu sehen", sagt uns eine weitere Bekannte des Opfers. Dass der Streit zwischen den beiden so sinnlos war, sei das Bedrückendste für sie.
Ein jeder gedenkt Kevins Tod auf eine andere Art - mit Tränen in den Augen oder in stiller Trauer. Gestört fühlen sich die Schüler immer wieder von aufdringlichen Reportern, die die Jugendlichen gegen ihren Willen filmen.
Fehl am Platz scheint dabei eine Passantin, die sich mit den Worten "lass' uns doch vorbeigehen, damit wir im Bild sind" einen Auftritt im Privatfernsehen wünscht.
Die ständige Belagerung durch Journalisten hat Wut erzeugt: Fotografen und Kameramänner werden von den Trauernden unhöflich vertrieben und nach dem Grund der dauernden Besuche gefragt.
Auch uns gegenüber begegnen die meisten anfangs skeptisch. Ein Mädchen erklärt, dass Journalisten wegen ihrer zumeist unhöflichen Art, im Moment eher Feindbilder sind. Auf Unverständnis stößt zudem der Umstand, dass die Presse noch vor der Polizei am Tatort war: "Sie waren schon vorher da", sagt man uns.
Auf der anderen Seite des Hofes stehen Jugendliche, die ihren Freund begleiten, der seinen jüngeren Cousin von der Schule abholt. "Um ihn zu beschützen", seien sie gekommen: "Es darf ihm nichts passieren." Sie rechnen mit mehr Gewalt an der Lehranstalt, auch zwischen unterschiedlichen Nationalitäten. Immer mehr Hass werde geschürt und Vorurteile aufgebaut.
... und Waffenkontrolle
In einem Punkt sind sich die Schüler, die mit uns sprachen, einig: "Schlägereien gibt es in der Schule zwar, aber Waffen hat im Normalfall keiner mit."
An einer nahe gelegenen Schule werden die Schüler am Morgen nach Waffen kontrolliert, bevor sie das Gebäude betreten. "Unten vom Schulwart und oben vom Direktor", erzählt eine Schülerin. Sie kannte Kevin mehrere Jahre lang und beschreibt ihn als "sehr lockeren, etwas machohaften Typ, der aber Schlägereien grundsätzlich aus dem Weg ging". Eigentlich wollte er mit ihr gemeinsam an diesem Tag die Schule schwänzen, erinnert sie sich.