"Wenn mein erster Weg zur Partei über meine Grätzl-Sektion geführt hätte, weiß ich auch nicht, ob ich dort geblieben wäre", meint die Wiener Vizebürgermeisterin Grete Laska zu derStandard.at.

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Der SPÖ wird bei den kommenden Gemeinderats- und Landtagswahlen erneut eine absolute Mehrheit prophezeit. Vizebürgermeisterin Grete Laska, seit 1994 im Amt, will daran aber erst glauben, wenn das Ergebnis vorliegt. Im derStandard.at-Interview sieht Laska den möglichen hohen Anteil von Nichtwählern als Risikofaktor. Auf Bundesebene wünscht sie sich einen Wechsel zur sozialdemokratischen Politik und wirft Bundeskanzler Schüssel Rücksichtslosigkeit vor. Ambitionen auf einen Posten in einer roten Bundesregierung zeigt Laska nicht, vielmehr will sie demnächst "Platz für Jüngere" machen.

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derStandard: Umfragen prophezeien der SPÖ eine absolute Stimmenmehrheit, ist es bei so guten Prognosen nicht schwierig, sich überhaupt für einen Wahlkampf zu motivieren?

Laska: Umfragesieger gab es schon viele, aber bei den Wahlen ist es wie beim Sport: Erst wenn man als erster über die Ziellinie kommt, ist man auch der Gewinner. Natürlich hatten wir schon Wahlkämpfe, in denen die Menschen uns skeptischer gegenüberstanden. Trotzdem kann man sich nie zurücklehnen und sagen "Das war´s".

derStandard: Der Grüne David Ellensohn hat die Wiener SPÖ im derStandard.at-Interview als schwer manövrierfähigen roten Tanker bezeichnet, wie dynamisch und jung kann die SPÖ nach 60 Jahren an der Spitze der Wiener Stadtregierung noch agieren?

Laska: Es ist uns in der letzten Periode gelungen, sehr viele junge Gemeinderäte und Gemeinderätinnen zu holen. Ich denke zum Beispiel an Laura Rudas, die erst 22 Jahre alt ist oder auch Jürgen Wutzlhofer und Barbara Novak. Als ich 1984 mit 33 Jahren in den Gemeinderat gekommen bin, war ich die jüngste im Team, nun ist die Jüngste 22. Außerdem: Nur weil man ein gewisses Alter hat, heißt das ja nicht, dass man im Kopf schon senil ist. Die Themen, die aufgegriffen werden und die für die Stadt wichtig sind, die sind uns bewusst und die packen wir an.

Eine Dynamik wie sie bei den Grünen herrscht, wünsche ich mir auf alle Fälle für die SPÖ nicht. Schließlich hat die Person, die lange Zeit als grüne Speerspitze in Wien gegolten hat, plötzlich zur ÖVP gewechselt.

derStandard.at: Die 16- und 17-Jährigen dürfen bei diesen Wahlen zum ersten Mal mitwählen. Warum sollten sie eigentlich die SPÖ wählen?

Laska: Sie werden uns dann wählen, wenn sie der Überzeugung sind, dass die Stadt Wien auch wirklich ernst meint, was sie sagt, nämlich dass Kinder und Jugendliche ganz wichtige Partner sind. Dass wir versuchen, auch auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu reagieren, egal ob das im Wohn-, im Bildungs-, oder Freizeitbereich.

Um zwei meiner Lieblinsbeispiele zu nennen: Zum einen ist es gelungen, dass die Skater bereits integrativer Teil der MA 42 sind: Wo immer in einer Parkanlage eine Skateranlage entsteht, können die betroffenen Jugendlichen mitreden. Ein zweites Beispiel ist im 10. Bezirk der neue Jugendtreff im Arthaberpark, wo von der Planung über die Umsetzung bis zum Betrieb alles wirklich mit Jugendlichen gemacht wurde.

derStandard: Affichiert sind Plakate mit Aufschriften wie "Wählen wir Wien. Wählen wir Zukunft", oder "Wählen wir Lebensqualität" etc. Ein Feel good-Wahlkampf? Was ist mit den Inhalten?

Laska: Affichiert sind sehr wohl auch Themenplakate. Die vier Hauptthemenbereiche mit denen wir in den Wahlkampf gegangen sind, sind die Themenbereich "Arbeit-Wirtschaft-Arbeitsplätze", "Soziales, Gesundheit und Bildung" "Soziale Sicherheit" und "Lebensstandard". Wien ist ja eine sehr soziale Stadt, die international für den hohen Lebensstandard bekannt ist. Durch das dichte Netz an Kinderbetreeungseinrichtungen haben wir beispielsweise erstmals eine positive Geburtenstatistik und eine Frauenbeschäftigungsquote von beinahe 80 Prozent. Das Lebensgefühl in Wien ist im Gegensatz zu frühren Jahren wieder ein positives, die Menschen kehren in die Stadt zurück.

derStandard.at: Zu der von Ihnen angesprochenen Frauenerwerbsquote: In dem von der Regierung beschlossenen Schulpaket ist Nachmittagsbetreuung nur dann möglich, wenn sich dafür 15 Schüler für drei Tage in der Woche interessieren. Mit einer Ganztagsschule würde sich dieses Problem überhaupt nicht mehr stellen. Wäre es da nicht überhaupt sinnvoller, alle Schulen auf dieses System umzustellen?

Laska: Grundsätzlich wurde dieses Paket von Frau Ministerin Gehrer präsentiert. Was hier angeboten wurde ist ein Miniaturschrittchen, das aber inhaltlich noch nicht in die richtige Richtung geht. Persönlich und politisch bin ich davon überzeugt, dass eine Ganztagsschule als grundsätzliches Schulmodell ein gutes wäre, weil nicht nur die Wissensvermittlung Aufgabe der Schule ist, sondern die gesamte Persönlichkeitsbildung.

Mir schwebt hier eine Lösung vor, die sich an Campusmodellen orientiert. Dazu braucht es andere Ressourcen, sowohl von den Lehrern als auch vom Modell her selbst. Nachdem in Österreich aber die schulische Gesetzgebung eine bundesweite ist - was ich an sich gut finde - gehört das auf Bundesebene geregelt.

derStandard.at: Zu einem anderen Thema: Jugendarbeitslosigkeit. In Vorarlberg gibt es ein interessantes Lehrlingsmodell, wo Unternehmer, die keine Lehrlinge ausbilden, in einen Ausbildungsfonds einzahlen, wodurch unter anderem Unternehmer gefördert werden, die dies tun. Gibt es Pläne, so etwas auch in Wien einzurichten?

Laska: Grundsätzlich halte ich die Idee des Berufsausbildungsfonds für ein kluges Modell: Da zahlen Betriebe ein, die nicht selbst Lehrlinge ausbilden, aber Facharbeiter brauchen und mit diesen Mitteln wird dann die Ausbildung von Jugendlichen in Verbünden oder Lehrlingsstiftungen finanziert. Im Jahr 2000 wurde das Modell der Lehrlingsstiftungen, das es bis zu diesem Zeitpunkt laut Ausbildungsgesetz ja gegeben hat, abgeschafft. Jetzt sind wir auf dem Weg zurück.

derStandard: Nach dem Zusammenbruch der FPÖ wird den Splitterparteien insgesamt nur ein Stimmenanteil von etwa 8 Prozent prognostiziert. Was tut die SPÖ, um die frei werdenden 12 Prozent auf ihre Seite zu ziehen?

Laska: Die FPÖ wählten 1996 wie auch 2001 viele Menschen, die das Gefühl hatten, benachteiligt zu sein und in ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen zu werden. Die sind nun flächendeckend enttäuscht worden. Das Problem, das ich sehe ist, dass diese WählerInnen in den Nichtwählerbereich gehen. Enttäuschte Wähler ziehen sich erst einmal zurück und entscheiden nicht gleich für andere Parteien. Das ist die eigentliche Gefahr, dass hier noch ein Delta entsteht von Menschen, die vom demokratischen System enttäuscht sind und keinen Gebrauch von ihrem Wahlrecht machen.

derStandard: Die Landtagswahlen gelten als Probelauf für die Nationalratswahlen im kommenden Jahr, mit der Steiermark fällt vielleicht nach Salzburg eine weitere schwarze Hochburg. Steht der Umbruch auch auf Bundesebene bevor?

Laska: Die Ereignisse der letzen Monate haben bewiesen, dass der Herr Bundeskanzler ohne Rücksicht auf die Bundesländer seine Linie mit einem doch sehr unsicheren Partner durchzieht. Wenn er zum Beispiel meint, er kann sich an die "FPÖ Alt" gar nicht mehr erinnern, frage ich mich, ob mit seinem Gedächtnis noch alles in Ordnung ist.

Was ich mir für Österreich wünsche ist eine Veränderung der Politik in eine sozialere Richtung und damit eine Veränderung im Bundeskanzleramt, vor allem im Finanzministerium.

derStandard: Könnten Sie sich vorstellen bei einer etwaigen Regierungsbeteiligung der Roten auf Bundesebene Ministerin bzw. Staatssekretärin zu werden?

Laska: Das kann ich mir ganz und gar nicht vorstellen. Meine Leidenschaft hat immer der Kommunalpolitik gegolten. Ich brauche erstens die Nähe zu den Menschen und zweitens die Unmittelbarkeit der Umsetzung, wie sie in der Kommunalpolitik gegeben ist.

derStandard: Und wie sieht es mit einem Karriereschritt auf Kommunalebene aus? Wird Michael Häupl, nachdem er den Bürgermeistersessel in den sicheren roten Hafen gebracht hat, mit einem Jobwechsel liebäugeln oder den SPÖ Vorsitz übernehmen? Folgen Sie dann automatisch auf den Bürgermeistersessel?

Laska: Der Bürgermeister hat hinlänglich erklärt, dass er nicht SPÖ-Vorstand sein will. Wenn er das gewollt hätte, wäre er es wahrscheinlich schon. Ich selbst arbeite seit dem ersten Tag im Wiener Gemeinderat mit dem Herrn Bürgermeister in einem guten Team zusammen, wir haben gemeinsam viel umgesetzt und gehen auch gemeinsam in die nächste Legislaturperiode. Offen gesagt: Ich bin 54, eine Periode werde ich noch in der Politik bleiben, danach möchte ich jüngeren Platz machen. Unter den vielen jungen, dynamischen Frauen der Wiener SPÖ findet sich vielleicht auch eine Bürgermeisterin.

derStandard.at: Zum Spannungsfeld zwischen SPÖ und Grünen: Im Umfeld der SPÖ gibt es eine Gruppierung, die für die sogenannten "Bobos" Wahlkampf macht. Gelingt es der SPÖ nicht, diese "jungen urbanen" WählerInnengruppen für sich zu gewinnen oder warum braucht es einer "Sponti-Gruppe" außerhalb der SPÖ, um diese Gruppierung zu umwerben?

Laska: Eine große Partei wie die SPÖ braucht neben ihren Mitgliedern und Stammwählern immer wieder auch die Breite, um an andere Gruppen heranzukommen und diese zu überzeugen. Ich glaube, dass gerade die jüngere, urbanere Generation inhaltlich von den Grünen weit entfernt ist. Wenn sie die reale Politik der Grünen ein bisschen mitverfolgen: Die Grünen agieren hier in Wien manchmal extrem lustfeindlich und stellen sich gegen das, was diese urbane Gruppe tatsächlich will.

Ich denke an Veranstaltungen im öffentlichen Raum, die diese Leute lieben, etwa am Rathausplatz, die Summer Stage, das Kino unter Sternen und viele andere. Wenn es hier im Haus darum geht, dafür Geld auszugeben, dann sind es oft die Grünen, die sagen, das ist nur die Lebensgefühl- und Eventkultur, die die Stadt nicht forcieren sollte.

derStandard.at: Nur wozu braucht es dann eine Gruppierung, die außerhalb der Partei agiert, wenn die SPÖ dieser Gruppe von Menschen ohnehin Angebote macht?

Laska: Da sage ich Ihnen auch ganz offen: Wenn mein erster Weg zur Partei über meine Grätzl-Sektion geführt hätte, weiß ich auch nicht, ob ich mit dem selben Eifer und dem selben Elan dort geblieben wäre. Mich hat das inhaltliche Engagement über die Familien- bzw. die Lehrerorganisation zur Partei geführt.