Das monatelange Mauern der ÖVP war Karin Gastinger dann doch zu viel. Ihr Vorschlag, Lebensgemeinschaften - und hier auch gleichgeschlechtliche - rechtlich besser abzusichern, unterbrach das undurchdringliche Mauern schwarzer Granden zu dem für diese ach so peinlichen Thema der Homosexuellengleichstellung.

Verantwortlich für Gastingers Vorstoß dürfte letztendlich ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter gewesen sein. Deren Mär, der kleine Regierungspartner BZÖ und nicht die ÖVP selbst sei an dem Reformstau schuld, dürfte der Ministerin Widerspruchsgeist erweckt - und ihrem rechtlichen Gestaltungswillen Flügel verliehen - haben.

Doch die orange Ministerin hat die Schwere des schwarzen Schweigens unterschätzt, das sich um den Themenbereich Homosexualität rankt. In diesem Sinne kann VP-Generalsekretär Reinhold Lopatkas Wortmeldung als Ordnungsruf an das BZÖ verstanden werden. Der Vorschlag einer Homoehe light sei eine "Einzelmeinung", sagte er - und meinte wohl: So soll es tunlichst auch bleiben.

Wahr nämlich ist, dass es Schüssels Frauen und Mannen zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich sein dürfte, nach außen hin eine einhellige Meinung zu den immer dringlicheren Gleichstellungsforderungen der Lesben und Schwulen zu vertreten. Zu unterschiedlich sind die diesbezüglich in der Volkspartei vertretenen Meinungen - und dass liberale Vorschläge weiterhin nur unter der Hand zu erfahren sind, zeigt, wie ausgeprägt in der Partei der Wille zum Machterhalt ist: selbst um den Preis des Redeverbots.

Wahr ist aber auch, dass das Schweigen der ÖVP nicht auf Forderungen nach der Homoehe beschränkt ist. Es hält sich vielmehr überall dort, wo überfällige Familienrechtsreformen mit dem hoch gehaltenen Institut der Ehe kollidieren könnten. Für deren Rettung in ihrer jetzigen Form - so scheint es - ist der große Regierungspartner bereit, den Bezug zwischen den realen Lebensumständen der Menschen und den angebotenen Rechtsformen immer lockerer werden zu lassen.

Historisch betrachtet ist das zwar nichts Neues - jahrhundertelang durften breite Schichten der Bevölkerung nicht heiraten -, aber die Erwartungen moderner Bürger an den Gesetzgeber sind doch andere als früher. Ebenso der Regelungsbedarf, der mit modernen Gesellschaftsformen und moderner Staatlichkeit einhergeht: Als Steuerzahler sollte jeder Staatsbürger die Möglichkeit haben, seine privaten Verhältnisse rechtlich absichern zu können.

Mit Lopatkas Meldung von Gastingers "Einzelmeinung" dürfte jedoch auch der clevere Versuch der Justizministerin gescheitert sein, das Problem sozusagen von der heterosexuellen Seite her aufzurollen: Immer mehr Patchworkfamilien stünden recht- und ratlos da, sagte sie. Die Kluft zwischen Regelungsnachfrage und -angebot werde tiefer: Ein Umstand, dem nur widersprechen kann, wer wahrlich vatikanischen Zuschnitts ist - und sich noch nie in die sozialrechtlich prekäre Situation einer Frau versetzt hat, die von ihrem Lebensgefährten verlassen wurde, nachdem sie sich während längerer Zeit Kind und Haushalt gewidmet hat.

Aber auch Lesben und Schwule geraten heutzutage in eine solche Situation - immer öfter und sogar in Österreich. Dann nämlich, wenn sie die Kinder ihrer Partner aus früheren heterosexuellen Beziehungen miterziehen - also Familien gründen. Das sind Familien, die es heute schon gibt - wenn auch nicht in übergroßer Zahl - und die, was die Kinder betrifft, ohne gemeinsame Rechte bleiben sollen. Sogar nach den Vorstellungen Gastingers, die Adoptionen für Lesben und Schwule kategorisch ausschließt.

Im katholischen Spanien werden solche Adoptionen bereits praktiziert - doch für die derzeitigen politischen Repräsentanten Österreichs ist dieser Schuh eindeutig zu groß. Der ÖVP ohnehin, aber auch dem BZÖ. Daran ändert auch der - wohl konsequenzlos verpuffende - Vorstoß einer Justizministerin nichts. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 15.9.2005)