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Wolfgang Schüssel

Foto: APA/MARKUS LEODOLTER
Kanzler Schüssel hatte keinen leichten Stand im Sommertalk mit Armin Wolf. Aber ein Anliegen konnte er ohne lästige Einsprüche des Moderators formulieren: Die Einbürgerungszahl muss reduziert werden. Schüssels Begründung dafür war bemerkenswert.

In den bisherigen Wortmeldungen zur Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes ging es Justizministerin Gastinger und Innenministerin Prokop darum, unsere wertvolle Staatsbürgerschaft nicht zu billig zu verkaufen. Deshalb sollten die Sprachtests erschwert und die Wartefristen verlängert werden. Außerdem müsse verhindert werden, dass einige Bundesländer vorzeitig einbürgern.

Das waren allerdings leicht durchschaubare Vorwände, denn Österreich hat im europäischen Vergleich bereits die härtesten Bedingungen: zehn Jahre Wartefrist, Sprachtests für alle, hohe Gebühren, keine Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit und keinen Anspruch auf Staatsbürgerschaft für Kinder, die hier geboren wurden. Geringfügige Delikte, mangelndes Einkommen führen zum Ausschluss von der österreichischen Staatsangehörigkeit. Zudem ist die Zahl der Einbürgerungen nach dem Rekordjahr 2003 wieder rückläufig. Nicht einmal vier Prozent der Eingebürgerten haben 2004 die Staatsbürgerschaft vorzeitig (nach vier oder sechs Jahren) erhalten, während es 1988 noch 19 Prozent waren. Alle bisher vorgetragenen Gründe waren also nicht stichhaltig.

Nun hat der Regierungschef die Katze aus dem Sack gelassen: Österreichische Staatsbürger haben das Recht auf Familiennachzug, während Ausländer warten müssen, bis in der Quote für ihre Angehörigen ein Platz frei wird. Und sind erst Ehepartner und Kinder mit den zu Österreichern mutierten Immigranten vereint, haben sie selbst wieder nach relativ kurzer Zeit Anspruch auf unsere Staatsbürgerschaft und können weitere Angehörige nachholen. Um diese "Kaskade" zu stoppen, muss man die Einbürgerung der "Ankerpersonen" erschweren und die Wartefristen für Ehepartner österreichischer Staatsbürger von derzeit drei bis vier Jahren Aufenthalt auf sieben erhöhen.

Bisher wurde diskutiert, ob Einbürgerung ein Mittel zur Integration ist oder eine Belohnung für deren erfolgreichen Abschluss. Nun sieht die Sache ganz anders aus: Die Regierung will mittels Staatsbürgerschaftsgesetz die Zuwanderung steuern und das Recht auf Familiennachzug sogar für Österreicher beschränken.

Damit betreibt sie genau jene Abwertung der Staatsbürgerschaft, die sie zugleich beklagt. Erstens, indem sie Eingebürgerte nicht als gleichberechtigt behandelt, sondern ihr Recht auf Familienleben beschneidet. Zweitens, indem sie den Zugang zur Staatsbürgerschaft vom Kosten-Nutzen- Kalkül der Migrationspolitik abhängig macht. Dass damit die politische Entmündigung und rechtliche Diskriminierung jener Einwanderer festgeschrieben wird, die seit Jahren hier arbeiten und leben und sich entschlossen haben, ein Bekenntnis zu Österreich abzulegen, spielt keine Rolle. "Integration vor Zuwanderung" ist seit den frühen 90er- Jahren das Motto dieser Politik. "Zuwanderungskontrolle auf Kosten der Integration" wäre ehrlicher. (DER STANDARD, Print, 9.9.2005)