Bild nicht mehr verfügbar.

Man ist schließlich in Italien, deshalb darf auf der "Cheese" in Bra bis in die späten Abendstunden schnabuliert, gekostet und gelernt werden. Die ganze Stadt verwandelt sich in einen großen Marktplatz rund um das Thema Käse.

Foto: Archiv Slowfood

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Archiv Slowfood

Zwischen 16. und 19. September wird der charakteristische Duft kultivierter Fäulnis mit besonderer Intensität durch die Stadt Bra im Piemont wehen. Nächstes Wochenende findet da, wie alle zwei Jahre, eine ganz wunderbare Messe statt, bei der "die Formen der Milch" präsentiert werden. Und die bestehen nun einmal in der Hauptsache aus Käse.

Das mehr oder weniger feste Milchprodukt wird seit bald 7000 Jahren durch Gerinnen aus dem Eiweißanteil der Milch gewonnen und durch gezielten Salz-, Bakterien-, Schimmelpilz- und - in seltenen Fällen - auch Milben-Einsatz in den gewünschten Kulturzustand versetzt, der sich durch langsame Reifung verdichtet und in entsprechend intensive Genüsse mündet.

Nicht zufällig ist Bra auch das Hauptquartier von Slowfood, der in Italien gegründeten, längst aber international aktiven Bewegung zur Rettung des kulinarischen Welterbes und des guten Essens an und für sich. Deshalb werden da nicht zuletzt auch die großen und ganz großen Stinker in all ihrer olfaktorischen Macht präsent sein.

Die "Cheese 2005"...

... verwandelt die Plätze und Gassen der mittelalterlichen Stadt in ein fröhliches Gewurl kleiner und kleinster Käseproduzenten aus allen Teilen Europas (aber auch aus Japan, Mexiko, Australien, Armenien, dem Libanon . . .), die ihre mehr oder weniger streng riechenden Laibe, Kegel, Säcke, Ziegel und Zylinder zur Verkostung darreichen und sich freuen, wenn sie mit Freunden ihrer Köstlichkeiten Bekanntschaft schließen können. Rundherum gibt es etliche Veranstaltungen, Aufführungen, Treffen mit Hirten, Käsern und Affineuren.

Einzigartig ist die Vielfalt der Aussteller: Alle 151 europäischen Käsesorten mit EU-kontrollierter Herkunftsbezeichnung werden versammelt sein. Österreichs sechs geschützte Sorten sind ebenso dabei wie Deutschlands vier oder die 42 französischen. Die Diskrepanz darf einem im Übrigen durchaus ungerecht vorkommen. Immerhin gibt es in Frankreich allein fast 1000 Käsesorten, so viel wie in ganz Resteuropa nicht. Da mutet es schon zynisch an, dass die Deutschen sich sogar den Allgäuer Emmentaler (bekannt aus dem Supermarktregal) schützen lassen konnten . . .

Im Rampenlicht steht heuer der Ziegenkäse

Ziegen waren die ersten domestizierten Milchlieferanten, ihr Käse ist deshalb die wahrscheinlich älteste Form von Käse überhaupt - und eine besonders gesunde noch dazu. Der oft sehr prononcierte Geruch und intensive Geschmack mögen nicht jedermanns Sache sein, Tatsache ist aber, dass die chemische Zusammensetzung der Ziegenmilch ganz erstaunliche Ähnlichkeit zu jener der menschlichen Muttermilch aufweist. Deshalb darf Ziegenkäse auch von Allergikern oder Menschen mit Lactose-Intoleranz genossen werden.

In Workshops und Kostkursen wird den Nuancen und Herstellungsmerkmalen der edlen Stinker nachgeschmeckt, für Kinder gibt es eigene Veranstaltungen, wo der Geschmackssinn auf spielerische Art und Weise trainiert wird - eine Art Kampftraining gegen den Einheitsgeschmack aus dem Fastfood-Tempel.

Dass Bra nur wenige Kilometer von den Rotwein-Weihestätten von Barolo, Barbaresco und Alba entfernt liegt, sei nicht verschwiegen, dass man in dieser Gegend nur nach langem Suchen ein minderwertiges Ristorante finden wird, ebenso wenig. (Severin Corti/Der Standard/rondo/09/09/2005)