Jetzt sind wir einmal gespannt, was oder wer da heraus-kommt: Jim Jarmuschs Komödie "Broken Flowers" mit Bill Murray startet diese Woche in Österreich.

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Der göttliche Darsteller in Jarmuschs neuem Fiulm geht im Gespräch mit Dieter Oßwald davon aus, dass die meisten lustigen Szenen ernst gespielt werden müssen.

Los Angeles – Don Johnston sitzt auf seiner Couch. Er wirkt etwas verloren: Ein Fremder in seinem eigenen Wohnzimmer. Schübe von Midlife Crisis. Plötzlich flattert ein rosafarbener Brief ins Haus. Mäßig interessiert nimmt Don Johnston zur Kenntnis: Sein 19-jähriger Sohn – er wusste nie, dass es einen gab, aus welcher Beziehung eigentlich? – werde ihn besuchen.

Wenn Don Johnston durch diese Nachricht aus der Balance gerät, dann unheimlich reduziert und gleichzeitig sehr komisch – denn der Held des neuesten Films von Jim Jarmusch, Broken Flowers, er wird von niemand Geringerem verkörpert als Bill Murray. Und der liefert in den darauf folgenden 100 Minuten auf einer Reise in Don Johnstons offenbar kaum oder bestenfalls sehr beiläufig gelebte Vergangenheit eine weitere Glanzleistung ab: Kraftloseste Melancholie, gebündelt im traurigsten Hundeblick dieser Tage. Geben Sie diesem Mann eine Strauß Rosen in die Hand, stellen Sie ihn vor die Tür von Sharon Stone oder Jessica Lange: Mehr Komik bei weniger Aufwand bieten bestenfalls Buster Keaton und Jacques Tati . . .


STANDARD: Mr. Murray, warum geben Sie eigentlich so ungern Interviews?

Bill Murray: Tja . . . In Amerika gibt es genügend Prominente, die glücklich sind, wenn eine Zeitschrift über ihren neuen Bettbezug berichtet. Für mich ist alles, was über die aktuelle Arbeit hinausgeht, die pure Masturbation. So verzweifelt bin ich nicht. Über meine Filme rede ich gerne, über alles andere nur ungern. Meine Traumsituation wäre, über ein Drehbuch zu reden, bevor der Film gemacht wird. Das wäre wirklich nützlich für mich.

STANDARD: Einmal mehr spielen Sie in einer Komödie: Wäre eine ernste Rolle für Sie nicht einmal eine willkommene Abwechslung?

Murray: Viele denken ja fälschlicherweise, Komiker wären gar keine Schauspieler. Als wäre es eine größere Kunst, jemanden zum Weinen zu bringen. Das mag zwar für manche Stand-up-Comedians gelten, aber wer im Theater oder im Film als Komiker auftritt, kann auf jeden Fall auch gut spielen. Und was heißt das schon: Ernste Rollen. Schließlich muss man bei komischen Situationen die meiste Zeit ein ernstes Gesicht auflegen. Es geht da ja auch meist um "ernsthafte" Krisenfälle. Also brauche ich keine "ernste" Rolle spielen, nur um mich als Schauspieler zu beweisen.

STANDARD: Sehen Sie lieber Komödien oder Dramen?

Murray: Ich habe in den letzten zehn Jahren nur wenige Komödien gesehen, die mich wirklich zum Lachen gebracht haben. Allein schon deswegen trete ich selbst gern in Komödien auf, weil ich glaube, das dort schon mein Talent liegt.

STANDARD: Wie in "Lost in Translation" ist auch in "Broken Flowers" der Held auf der Suche nach sich selbst – können Sie sich damit besonders identifizieren?

Murray: Das ist sicher kein Zufall. Zum einen liegt es daran, dass sowohl Jim Jarmusch als auch Sofia Coppola mich für diese Art von Rolle offensichtlich geeignet hielten. Zum anderen ist es reizvoll, in eine Situation geworfen zu werden, in der man ständig seltsamen Dingen ausgesetzt ist. Der große Pluspunkt an diesem Beruf ist ja, dass es einem ermöglicht wird, immer wieder zu sich selbst zu finden. Wenn man andere Personen spielt, sieht man sich selbst anschließend viel klarer.

STANDARD: Worum geht es für Sie in "Broken Flowers"?

Murray: Für mich geht es im Kern darum, dass ein Mann, dessen Leben gleichsam ohne ihn stattfindet, nun endlich erwacht. Am Ende ist dieser Prozess gelungen. Ich sage nicht, dass dieser Don nun glücklich oder traurig wäre. Ich sage nur: Endlich spürt er sein Leben wieder.

STANDARD: Sie haben die Produktionsassistentin, wie es heißt, auch Ihre Macht spüren lassen . . .

Murray: Für die Szenen in Winstons Haus wurde für einen Monat ein Haus gemietet. Die Heizung war abgestellt, es herrschten frostige Temperaturen und die Kinder für diese Szenen froren. Fürchterlich. Also bin ich zu den Nachbarn gegangen, um Brennmaterial zu holen. "Hey, Sie sind doch Bill Murray", sagten die erfreut und gaben mir alles, was ich wollte. Kaum hatte ich ein Feuer im Kamin angezündet, kam eine Frau von der Produktion und sagte: "Machen Sie das aus, das ist nicht erlaubt." – Da hätten Sie meinen Wutausbruch erleben sollen! Aber es ist immer besser, wenn man am Anfang verrückt spielt. Das wird viel eher akzeptiert als später – denn dann denken alle, der spinnt doch.

STANDARD: Sie waren der große Oscar-Favorit für "Lost in Translation" – wieso gingen Sie leer aus?

Murray: Ich weiß nicht, was der Grund dafür ist. Wir machen ja schon Witze darüber: Gib mir eine Behinderung, und ich gebe dir einen Oscar. Oder noch besser: Gib mir eine tödliche Krankheit. Auszeichnungen werden nicht nach der schauspielerischen Leistung vergeben, sondern danach, ob die Zuschauer von einer Geschichte emotional berührt worden sind. Ich freue mich immer sehr, wenn Leute zu mir kommen und sich bedanken, dass ich sie zum Lachen gebracht habe. Aber dafür bekommt man keine Preise.

STANDARD: Das klingt aber eher verbittert.

Murray: Es gibt diese Liste des Amerikanischen Film Instituts mit den "100 Besten Filmen aller Zeiten", die ich völlig grotesk finde. Nicht nur, weil von den Mitgliedern dieses Instituts keiner in den letzten 50 Jahren einen Film gemacht hat. Sondern weil auch der Geschmack sehr altbacken ist: Das Spektrum reicht von Chaplin bis Manche mögen's heiß – und danach kommt nichts mehr.

STANDARD: Wann machen Sie Ihren eigenen Film?

Murray: Ich habe vor einigen Jahren eine Komödie geschrieben, von der das Studio auch ziemlich begeistert war. Eine Woche später wechselte die Führungsetage und mein Projekt war über Nacht unbeliebt geworden. Das hat mich damals schon ziemlich umgehauen. Jetzt, wo ich quasi Rentner bin, könnte ich mich ja nochmals als Regisseur versuchen . . .

STANDARD: Worum geht es in diesem Drehbuch?

Murray: Es ist das Remake der französischen Komödie Grosse Fatigue von Michel Blanc. Die Franzosen haben ein großes Talent für clevere Komödien. Leider werden diese hübschen Konzepte bei den Hollywood-Remakes meistens brutal geschlachtet. (DER STANDARD, Printausgabe, 06.09.2005)