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Zur Person

Liese Prokop (63) ist die erste Innenministerin Österreichs. Die Ex-Spitzensportlerin war 25 Jahre in der niederösterreichischen Landespolitik tätig, ab 1992 Landeshauptmann-
Stellvertreterin.

Foto: APA
Russland zeige auf EU-und bilateraler Ebene Bereitschaft zur Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Innenministerin Liese Prokop sprach in Moskau mit Eduard Steiner.

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STANDARD: Wie weit sind Sie beim russischen Innenministerium in der Frage der Rücknahme illegaler Immigranten aus Russland gekommen?

Prokop: Es wird ein Gespräch Anfang Oktober mit EU-Kommissar Frattini geben. Man ist sehr weit. Die EU hofft, hier eine Einigung für die gesamte Union zu finden. Sollte das nicht zustande kommen, wurde uns in Moskau die Bereitschaft erklärt, dass wir auf bilateralem Wege ähnliche Lösungen wie Deutschland finden und ein Abkommen schließen.

STANDARD: Die Immigranten aus Russland in Österreich sind großteils tschetschenischer Herkunft, was sich mittlerweile angeblich in die Nähe einer Bildung von Parallelstrukturen auswächst.

Prokop: Man kann nicht sagen, dass sich das Problem vergrößert. Wir sehen nur, dass eine Verfestigung in unterschiedlichen Formen stattfindet. Die nach Österreich gekommenen Tschetschenen sind zum einen die, die bereit sind, sich zu integrieren. Und es gibt eine kleine Gruppe, die versucht, im Rahmen ihrer Religionsausübung ein gewisses extremeres Gedankengut zu transportieren. Wir beobachten diesen Bereich sehr intensiv.

STANDARD: Von ihrem Amtsvorgänger kommt die Idee eines Auffanglagers für Flüchtlinge aus Tschetschenien in Zusammenarbeit mit den Baltischen Staaten. Wie aktuell ist das?

Prokop: Im Augenblick wird es nicht diskutiert. Aber es ist Tatsache, dass wir daran werden weiterarbeiten müssen. Die Anzahl der tschetschenischen Flüchtlinge wird nicht mehr, der Prozentsatz ist deutlich zurückgegangen; aber als Asylbewerber und illegale Immigranten aus Russland machen sie den Löwenanteil aus. Wobei wir aufgrund unserer Gesetze jeden einzelnen Fall prüfen, weil man sehr genau weiß, dass sich viele als Tschetschenen bezeichnen, aber keine sind.

STANDARD: Österreich ist ja durchaus ein beliebter Platz für organisiertes Verbrechen aus dem Osten. Hat man die Situation unter Kontrolle?

Prokop: Organisierte Kriminalität ist vorhanden. Wir in Österreich haben es nicht nur sehr gut im Griff, wir haben laut deutlichen Zahlen der Kriminalstatistiken sogar eine rückläufige Tendenz. Die Bereitschaft der russischen Behörden zu kooperieren, insbesondere bei Straftaten und bei der Rücknahme der russischen Staatsbürger, ist für mich überraschend groß.

STANDARD: Wird es bei der Erleichterung der Visaregelung für Russen während Österreichs EU-Präsidentschaft im kommenden Jahr Fortschritte geben?

Prokop: Ich glaube schon. Der russische Innenminister hat angekündigt, dass Russland ja auch so wie wir die Ausweise mit den biometrischen Daten einführt. Das alleine ist schon ein riesiger Schritt, und da können wir sicherlich Fortschritte machen.

STANDARD: Kann man mit Russland die Gratwanderung zwischen der Gefahr eines Überwachungsstaates und der Wahrung persönlicher Freiheiten hinkriegen?

Prokop: Die Zusage war da, dass auch das Übereinkommen mit Verpflichtung zur Einhaltung von Datenschutz und Menschenrechtsgrundsätzen noch in diesem Herbst die Duma passiert. Das würde uns natürlich schon ein Stück weiterbringen. Man muss es aber weiter beobachten, denn ein gesetzlicher Beschluss allein löst ja noch nicht, wie es dann gehandhabt wird.

STANDARD: Der Austausch von Sicherheitsdaten sollte Ihrem Vorhaben nach institutionalisiert werden. Wie realistisch ist das gegenwärtig mit Russland?

Prokop: Wenn diese genannten Voraussetzungen gegeben sind, können wir sicher in manchen Datenbereichen sehr gut kooperieren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2005)