Angstnippel leiden - Triumph Rocket III

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grafik: der standard
Rakete ist nicht das Erste, woran man denkt, wenn man diesem üppigen Cruiser zum ersten Mal gegenübersteht.

Viel Schwarz, viel Chrom, lang gezogen mit riesigem 25-Liter-Tank und üppigem, halbkreisförmigem Kotflügel über dem mächtigen 240er-Hinterreifen.

Und mittendrin ein fettes Triebwerk: drei Zylinder, zusammen 2293 Kubikzentimeter, größter Hubraum unter den aktuellen Serienmotorrädern.

Dieser Riese verantwortet auch den Namen: Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, was ein Drehmoment von 200 Newtonmetern schon bei 2000 Umdrehungen bedeutet? Zum Beispiel: Besser nicht Gas geben wie sonst, während man noch beim Einbiegen in die Hauptstraße nach links auf den Querverkehr achtet.

Die Rocket ist dann wirklich sehr, sehr schnell weg. Das musste auch ein junger Mann auf seiner ZX-10R erfahren. Diese Kawasaki kann man getrost zu den derzeit bösesten Racern zählen.

Dennoch ließ meine Rakete den Kollegen auf der Grünen erst einmal gnadenlos verhungern, als er mich auf der Dopplerhüttenstrecke aus einer langsamen Kurve heraus überholen wollte. Und hätte ich vor lauter Euphorie nicht vergessen, dann doch auch wieder mal hochzuschalten, er wäre bis zur nächsten Geraden nicht vorbeigekommen.

"Schon arg, wie die anreißt", staunte der junge Mann, als wir fast gleichzeitig an der ersten Ampel hielten. Die Rocket wiegt übrigens etwa das Doppelte der ZX-10R.

Dafür mussten allerdings die so genannten Angstnippel an den Unterseiten der Fußrasten der Rocket III doch merklich leiden.

Was keinen besonderen fahrerischen Wagemut erfordert: Wie von einem Cruiser, zudem mit weit mehr als 300 Kilo, nicht anders zu erwarten, setzen die - übrigens extrem weit vorne angebrachten Rasten - ziemlich früh auf. Man gewöhnt sich aber auch recht rasch an das schleifende Geräusch.

Mit knapp 20.000 Euro ist die Rakete nicht unbedingt ein Preisschlager. 100 Euro pro Newtonmeter macht das. Kein Euro zu viel, wenn man's kräftiger mag. (Harald Fidler, AUTOMOBIL, 2.9.2005)