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Das Künstlerkollektiv lawine torren entwickelte eine gelungene fiktive Geschichte eines geteilten Linz.

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Kaugummi und Goldhauben hüben, Arbeitermacht drüben: Klangwolken-Szenario von Hubert Lepka.

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Linz - Für schreibbegabte Zeitgeschichtler könnte es ein lukrativer Ausflug ins Literaturgeschäft werden, Geschichte entlang von möglichen historischen Alternativen neu aufzurollen: im Gedenkjahr 2005 etwa die Entwicklung der Zweiten Republik.

Im Falle einer durchaus realen Alternative nach 1945 hätte das politisch-militärische Szenario ja auch so aussehen können: kein Staatsvertrag, sondern, wie in Deutschland, ein geteiltes Österreich. Damit ein geteiltes Linz. Kaugummi und Goldhauben hüben, der rote Stern und Arbeitermacht drüben. Kriegsschiffe patrouillieren auf der Donau, die Nibelungenbrücke ist scharf gemachte Demarkationslinie. Der Prager Frühling erreicht Urfahr, Tote treiben im Fluss.

Das alles geschah am Samstagabend vor Ort. Aber Hubert Lepka, Klangwolken-Regisseur 2005, ist der Versuchung nicht erlegen, mögliche alternative Realien zwischen 1945 und 1989 aufzureihen. Mit seinem Künstlernetzwerk Lawine Torrèn und zahlreichen einheimischen Mitwirkenden knallte er die angenommene Teilung am Fluss vielmehr als opulentes Breitwandepos in den Donauraum. Dokumentation und Fiktion, grelles Pathos und Ironie mischten sich auf mehreren Ebenen, eine schlichte, doch eindrücklich erzählte Liebesgeschichte (Texte: Birgit Müller-Wieland) kontrastiert mit der Brachialgewalt der Umstände - bis zum furiosen Befreiungsfinale à la Fidelio.

Es war zweifellos die bisher größte Event-Herausforderung für den Hannibal- und Mateschitz-erprobten Hubert Lepka und sein Team. Neben den großteils aus seinen bisherigen Projekten vertrauten tanzenden Maschinen und Menschen, den dröhnende Flugzeugen und Lastautos, die wie Büffel einander aus der Arena zu drängen suchen, musste dieses Mal vor allem auch der Schauplatz Donau bewältigt werden: beeindruckend die Choreografie der Schiffe und der Wasserscooter, der Fontänen und der Lichtinszenierung. Zu alldem komponierte Peter Valentin ein von HipHop über Jazz bis zu Schostakowitsch-Anleihen reichendes Soundspektrum, mit dem er auf allen Registern emotionaler Befindlichkeiten gekonnt spielte.

Geschätzte 90.000 Menschen folgten dem Geschehen hörbar mit Begeisterung. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2005)