Um kulturelle, ethnische oder religiöse Vielfalt leben oder als Unternehmen im besten Fall daraus Wert schöpfen zu können, muss sie gepflegt werden.

Es sei das Finden der Balance und die Suche nach den Assets in den Menschen, die aus der Vielfalt den Unternehmenserfolg weit über ökonomische Parameter entfalten ließe, sagt Hikmet Ersek. Ein höherer Grad an Selbstständigkeit und Flexibilität sei für den Erfolg von Western Union maßgeblich - auch wenn man letztlich - "street-based" - von der amerikanischen Mutter an Zahlen gemessen werde.

Ersek (45) ist Senior Vice President Europe, Middle East, Africa und South Asia der Western Union Financial Services GmbH in Wien. Geschäftssprache ist Englisch - untereinander spricht man Deutsch, Englisch oder beides gemischt und das aus einer gewachsenen Selbstverständlichkeit heraus. Seine 90 Mitarbeiter stellen sich aus 30 Nationen zusammen: "Wir sind wohl das ,most diverse' Unternehmen Wiens, vielleicht auch Europas", sagt er. Das freilich ergebe sich aus der Zusammenstellung der Kunden, die selbst multinational seien. "Ich brauche einfach Mitarbeiter, die Verständnis für die ,voice of the customer' haben. Wir sind gewissermaßen nach innen und außen hin ,multikulti'", so Ersek weiter. Die Hierarchien seien flach.

Verständnis schaffen

"Meine Mitarbeiter sind flexibel genug, um mehrere Seiten zu verstehen, um über den Tellerrand zu schauen", so Ersek weiter. Schließlich seien unterschiedliche Märkte und Kunden auch unterschiedlich zu betreuen. Oder: "Wie schaffe ich Verständnis dafür, dass der heurige Bonus ausfallen wird, weil es in einem anderen Land zurzeit nicht so gut läuft? So ist das in einem globalen Unternehmen", sagt Ersek. Bei Western Union habe man zur Unterstützung des "globalen Verständnisses" ein Onlinetool namens "Globe Smart" installiert, an dem man Schlüsselunterschiede kultureller Natur - wie Zeitverständnis, Verhandlungstechniken u. v. m. - in anderen Ländern ersehen könne. Auch sei es möglich, sich selbst "zu testen". Man verbringe viel Zeit damit, Verständnis zu schaffen - dies sei auch vorzuleben. Und genau dafür scheint Hikmet Ersek wie gemacht.

Halb österreich-, halb türkisch-stämmig besuchte Ersek zunächst eine österreichische Schule in der Türkei, bevor er sich später aufmachte, an der Wiener WU zu studieren. Wohl ähnlich wie bei vielen gemischt-stämmigen Menschen stehe man zunächst am Rande der Gesellschaft, habe aber - ausgerüstet mit guter Ausbildung, Zielstrebigkeit und Willenskraft - dadurch die Möglichkeit, sein Umfeld zu beobachten, sich anzupassen, zu arrangieren und Wege zu finden, Angestrebtes zu erreichen. Aber einfach sei das nicht gewesen: "Es war schwierig, in ein Land zu kommen, das ein negatives Türkeibild hatte", so Ersek. "Und als ich für Western Union eine Banklizenz beantragt habe, war das als Türke für ein US-Unternehmen auch nicht einfach", erzählt er. Heute sei das - mit dem steigenden Bekanntheitsgrad - kein Thema mehr. "Österreich", sagt er, "ist sehr offen". Ersek selbst fühlt sich genauso türkisch wie österreichisch. Ein Heimatgefühl habe er aber nicht: "Leider", sagt er. "Aber wenn ich über den Bosporus fliege und an die Schönheit der Menschen dort denke, bin ich genauso gerührt, wie wenn ich am Weg nach Wien Walzer aus Flugzeuglautsprechern höre." (Der Standard, Printausgabe 13./14./15.8.2005)