Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es wird heute sein. Oder morgen. Aber in jedem Fall werden aus den bisher acht Mails mit der Bitte um Hitzegeschichten (unter Verweis auf Schweißflecken und –geruch im öffentlichen Raum) im Laufe des Tages noch mehr werden. Und spätestens am frühen Nachmittag werden Fotos von Kindern, Hunden und ­ vor allem - Mädchen in der Hitze aus allen elektronischen Bildredaktionsporen tropfen. Das gehört sich so. Im Sommer.

Schließlich ist Journalismus etwa zu gleichen Teilen Wiederholung und Affirmation: Jeder will die Bestätigung, dass die Welt sich so dreht, wie er glaubt. Und da hilft das Übers-Wetter-Labern sehr. Denn wenn ich beim Blick aus dem Fenster das selbe sehe, wie mein Leitmedium, glaube ich denen, die dort sitzen auch den Rest ein bisserl leichter. Und darüber, dass es bei Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke heiß ist, herrscht ja weitestgehend wirklich Einigkeit.

Nebelsuppe

Das selbe gilt für Schneestürme, Sintfluten und tagelang über der Stadt liegendem Nebel. Aber da das nicht zum aktuellen Wetter passt und das Überspringen von Klima-, Jahreszeit- und anderen Zonen der Leichtigkeit des Medienkonsumes zuwiderläuft, was wiederum gerade in medialen Segmenten, die sich der Leserbindung durch Leichtflüssigkeit verschrieben haben, kontraproduktiv wäre, lassen wird das hier & heute einfach ausgespart: Wir schreiben über das gerade erlebte Wetter.

Die Sache hat nur einen Haken: „Es ist heiß“ füllt keine Seiten. Und irgendwann gehen einem die Entschuldigungen aus, Mädchen mit zu knappen Bikinis abzubilden. Dann beginnt die journalistische Kreativität zu kochen. Meistens im eigenen Sud: Es dauert kaum zwei Hitzetage, bis die Idee mit dem Thermometer aufpoppt: Die heißesten und kältesten Orte der Stadt abzuklappern - das wäre doch was. Und mit Menschen zu reden, die in Kühlhäusern, an Pizza- oder Hochöfen, in Putzereien oder sonst wie extremtemperierten Orten arbeiten..

Parallelberichterstattung

Das seltsame an derlei Wetterparallelberichterstattung sind aber die lieben Kollegen (natürlich nicht die von hierzublatt, nur die von anderswo): Sobald jemand die aktuellen Temperaturen in kommerziellen Kältekammern (ideal in jeder Hinsicht: Hier kann man das Bikinimädchen mit Handschuhen und Ohrenwärmern zeigen – und hat sogar einen medizinisch argumentierbaren Grund), der Kaisergruft, Kühlhäusern oder den Klimaschranken zu Kaufhäusern (siet kurzem neu im Repertoire: Philosophien zum Thema „Ladenimage durch Kälteschock per Klimaanlage im Ladeninneren“) abdruckt, hagelt es Mails und Anrufe aus anderen Redaktionen: Wie billig das doch sei – denn genau diese Story habe doch das Medium XY (in der Regel das des Spötters und unter seiner Federführung) erfunden. Zum Beweis liegt dann die archivierte Geschichte bei.

Das Bizarre an der Sache: Die Herrschaften glauben sich. Und zwar absolut. Sie sind tief gekränkt.: Jeder, der je auf die Idee kam, einen Bauarbeiter zu fragen, wie das denn am Asphaltkocher bei über 36 Grad im Schatten ­ und zwar ohne Schatten – so sei, ist davon überzeugt, das Rad erfunden zu haben. Und er – oder sie – ist tödlich beleidigt, wenn der Hinweis auf das ganz persönliche Urheberrecht nicht dabei steht, wenn irgendwo zu lesen ist, dass man in den Katakomben und bei den Habsburgern eher weniger schwitzt als auf der Baustelle.

Vorauseilende Warnung

Den Vogel schoss allerdings heuer jener Kollege ab, der mich – es war vorgestern – per Mail im Vorhinein darum bat, bei etwaigen Temperaturmessgeschichten nicht zu erwähnen zu vergessen, dass diese Idee von ihm stamme. Zum Beweis legte er gleich mehrere von ihm geschriebene Variationen zum Thema bei.

Ich habe dem Kollegen soeben geantwortet. Höflich aber bestimmt. Dass ich seinem Ansuchen leider nicht nachkommen würde. Und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: Die Idee, mit dem Thermometer stammt nämlich von mir. Eindeutig. Das – ich legte ihm diverse Belegartikel bei, von denen zumindest zwei älter waren als seine – kann ich beweisen. Und sollte der Kollege noch einmal mit dem Thermometer ausrücken, ohne auf mein Copyright zu verweisen, werde ich meinen Anwalt einschalten. Dem ist schließlich auch heiß. (DER STANDARD Printausgabe 28.7.2005)