STANDARD: Ist die Reduktion von Spitalsbetten der wichtigste Punkt der Gesundheitsreform?

Husslein: Vor allem gibt es zu viele Standorte. Der Großteil der Spitäler ist nicht ausgelastet. Am Nachmittag läuft dort nur der Notbetrieb. Die ganze teure Infrastruktur (Operationssäle, Röntgengeräte) wird bis maximal fünfzehn Uhr genutzt, in den Gemeindespitälern noch kürzer. Es ist unerträglich zu sehen, wie das Steuergeld in einem gut ausgerüsteten Spital wie dem AKH täglich verbrannt wird. Kein Wirtschaftsbetrieb würde auf diese perverse Idee kommen. Nur im öffentlichen Bereich glaubte man lange, nicht rechnen zu müssen, weil eh alles der Steuerzahler bezahlt.

STANDARD: Die Alternative wäre, Spitäler zu schließen.

Husslein: Ja, wenn ich zwei Standorte relativ nah beieinander habe, die beide nur zur Hälfte laufen, führe ich sie zusammen. Da bekäme ich nicht einmal Probleme mit der Gewerkschaft, denn wenn das AKH auf Hochtouren laufen würde, bräuchte ich ohnedies viel mehr Personal.

STANDARD: Das sehen nicht alle Betroffenen so.

Husslein: Man könnte ja auch auf kreative Ideen kommen und leer stehenden Räume vermieten. Dem System fehlt es an Kreativität, weil offenbar noch immer nicht genug Finanzdruck da ist.

STANDARD: Viele Ärzte wollen am Nachmittag in den Ordinationen ein nettes Zusatzeinkommen erwirtschaften.

Husslein: Selbst wenn das so ist, kann man ja den Nachmittagsbetrieb mit anderen Ärzten führen, die dann halt am Vormittag ordinieren. Eine Art Schichtdienst.

STANDARD: Dann würden auch die gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen eingehalten?

Husslein: Meine Abteilung hält sich daran. Dafür mussten wir herunterfahren: Statt 3800 Geburten machen wir jetzt 2300 großteils Risikogeburten, weil wir es personell nicht schaffen. Um mehr Leistungen anzubieten, muss man reformieren. Die Leute müssten eigentlich schreien: "Bitte her mit der Gesundheitsreform." (DER STANDARD, Printausgabe, 28.7.2005)