Werner Knoblich, Red Hat Vice President für den Bereich Europa, dem mittleren Osten und Afrika.

WebStandard: Red Hat ist eines der finanziell erfolgreichsten Linux-Unternehmen. Wie kann man mit freier Software Geld verdienen? Wie macht das Red Hat?

Werner Knoblich: In der Tat ist Red Hat eines der ersten reinen Open Source-Unternehmen, die profitabel arbeiten. Wir haben im letzten Geschäftsquartal mit unseren Linux-Abonnements allein in Europa mehr Umsatz erzielt als der nächstgroße Mitbewerber weltweit.

Auch wir haben einige Zeit gebraucht ein entsprechendes Geschäftsmodell zu erarbeiten, besonders weil wir immer dem Open Source-Gedanken verpflichtet geblieben sind. All unsere Software steht unter einer Open Source-Lizenz.

"Red Hat-Mitarbeiter gehören zu den wichtigsten Entwicklern von Open Source-Software"

Das Angebot reiner Dienstleistungen auf Basis kostenfreier Software hat sich im Linux-Bereich nicht bewährt. Der Großteil unserer Investitionen in die Red Hat-Produkte findet statt, bevor wir diese überhaupt auf den Markt bringen. Red Hat-Mitarbeiter gehören zu den wichtigsten Entwicklern von Open Source-Software und treiben viele Projekte maßgeblich voran.

Da wir uns auf den Unternehmenseinsatz fokussiert haben, ist auch die Zusammenarbeit mit Software- und Hardware-Anbietern sehr wichtig, damit diese ihre Produkte für Red Hat Enterprise Linux zertifizieren. Auch dieser Prozess verschlingt umfangreiche Ressourcen. Die Kunden profitieren von einer leistungsfähigen und zuverlässigen Software, für die sie bereit sind zu zahlen. Red Hat hat dazu ein Abonnement-Modell entwickelt, in dessen Rahmen wir unseren Kunden nicht nur die Software zur Verfügung stellen, sondern auch Software-Pflege und -Support. Das geschieht wesentlich über das Red Hat Network, eine Lösung zum zentralen Management von Software, deren Benutzung in jedem Red Hat-Abonnement eingeschlossen ist. Wichtig ist, dass unsere Kunden einen Software-Service abonnieren, nicht eine bestimmte Software-Version.

"Wir schreiben unseren Kunden nicht vor, wann sie einen Versionswechsel durchzuführen haben"

Innerhalb eines Red Hat Enterprise Linux-Abonnements können Anwender je nach bedarf beispielsweise die Versionen 2, 3 oder das aktuelle Red Hat Enterprise Linux 4 nutzen. Wir schreiben unseren Kunden nicht vor, wann sie einen Versionswechsel durchzuführen haben. Das Abonnement enthält zusammenfassend sechs wesentliche Nutzen für den Kunden:

1. Hardware und Software-Zertifizierungen,
2. Software-Pflege und -Wartung für sieben Jahre,
3. Support mit unterschiedlichen Service Level Agreement (SLA)-Optionen,
4. Software Upgrades,
5. Technologie und Dokumentation,
6. Software Assurance für den Fall das Rechte Dritter verletzt worden sind.

WebStandard: Welche Geschäftsfelder wird Red Hat verstärkt beackern? Wo sehen gute Chancen Kunden zu gewinnen?

Werner Knoblich: Unser größtes Geschäftsfeld ist zur Zeit die Ablösung von Unix. Mit Red Hat Enterprise Linux 4 haben wir technisch in allen Bereichen mit Unix zumindest gleichgezogen, in denen Unix zuvor noch Vorteile besaß, zum Beispiel was die Skalierbarkeit und Storage-Limits betrifft. Das bessere Preis/Leistungsverhältnis war schon immer auf unserer Seite. Eine Migration von Unix auf Linux ist vergleichsweise unkompliziert und für viele Kunden löst Red Hat Enterpise Linux Unix als strategische Plattform ab.

Seit Einführung der aktuellen Version des Red Hat Desktops machen wir auch im Umfeld großer, verwalteter Desktop- Installationen deutliche Fortschritte. Dieser Bereich wird weiter beträchtlich wachsen.

Insgesamt bauen wir unser Portfolio zielstrebig mit dem Ziel aus, eine komplette Open Source-Architektur anzubieten. Dazu kaufen wir auch gezielt Unternehmen auf, deren Produkte wir weiter perfektionieren und unter eine Open Source-Lizenz stellen wie das Global File System oder erst kürzlich den Red Hat Directory Server.

Erfolgreich im Finanz- und Bankenumfeld

Unter den Branchen sind wir zur Zeit besonders im Finanz- und Bankenumfeld erfolgreich. Große Produktions- und Telekommunikationsunternehmen ziehen aber ebenso nach wie der öffentliche Bereich.

WebStandard: Wird Red Hat in Österreich verstärkt präsent sein?

Werner Knoblich: Red Hat hat seine Österreich- Aktivitäten seit über einem Jahr deutlich verstärkt, was sich in signifikanten Umsatzzuwächsen niederschlägt. Die Stadt Wien ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. Große Key Accounts werden von Red Hat direkt betreut und der Rest des Marktes wird vorwiegend von unseren globalen aber auch zunehmend von unseren lokalen Partnern bedient.

WebStandard: Wie geht es weiter mit Linux? Welche Innovationen kommen auf uns zu?

Werner Knoblich: Bei Linux selbst wird es weiter Verbesserungen auf der ganzen Linie geben, besonders was die Skalierbarkeit, Performance, Sicherheit und Virtualisierung angeht. Im Server-Bereich hat Linux Unix bereits überholt. Auf dem Desktop wird Linux weiter zu Microsoft aufschließen. Große Installationen wie die von 8500 Linux-Desktops bei der LVM in Münster belegen diesen Trend für den Unternehmenseinsatz ganz klar. In den kommenden Jahren wird dann die Zeit aber auch reif für Linux auf dem Consumer-Desktop.

Wichtiger als die weiteren Verbesserungen bei Linux selbst ist der weitere Ausbau des Open Source-Angebots. Mit unserer Red Hat Open Source Architektur sind wir bereits weit gekommen. In Zukunft werden wir sicher reine Open Source-Infrastrukturen sehen.

WebStandard: Was kann Red Hat Linux, was Windows nicht kann?

Werner Knoblich: Zwei Punkte sind besonders hervorzuheben. Erstens ist Linux immanent auf Verwaltbarkeit und Sicherheit ausgelegt. Das verdankt es auch seinem Unix-Erbe. Die Sicherheitsproblematik von Windows ist hinlänglich bekannt.

"Flickwerk" Windows

Weil ein zentrales Management nicht von vornherein vorgesehen war, tut sich Windows extrem schwer im Umfeld unternehmenskritischer Server und bei der Verwaltung großer Desktop-Installationen. Windows-Administratoren können davon ein Liedchen singen. Ein Betriebssystem, das nicht immanent auf Sicherheit und Verwaltbarkeit ausgerichtet ist, im Nachhinein in dieser Hinsicht nachzubessern, muss Flickwerk bleiben. Auch aufgrund dieser Windows-Defizite steigen zahlreiche Unternehmen und Behörden zur Zeit auf Red Hat Desktop um.

Der zweite große Vorteil von Linux ist sein Open Source-Charakter: Eine riesige Entwicklergemeinde arbeitet in offenem Austausch an der Perfektionierung der Software und an der Ergänzung um neue Funktionen. Microsoft mag noch so viel Geld in die Einstellung zusätzlicher Entwickler stecken, eine solche Community aus hoch motivierten Entwicklern wird es nie erreichen. Die Offenheit des Quellcodes sorgt zudem nicht nur dafür, dass sich das Betriebssystem flexibel anpassen lässt. Sie gewährleistet auch eine äußerst effektive Qualitätskontrolle.