Wien - In der Schura-Moschee im zweiten Wiener Bezirk rief der Imam beim Freitaggebet dazu auf, Hinweise über bevorstehende oder geplante Gewaltakte der österreichischen Polizei mitzuteilen. Der Imam Scheich Adnan Ibrahim hatte davor angekündigt, er werde auch die jüngsten - teils radikalislamisch Aussagen - eines Wiener Imams und eines Stellvertreters mit den Gläubigen diskutieren.

Der 30-jährige Imam einer Moschee aus Wien-Neubau, Abu Muhammad, hatte gegenüber der Presse erklärt, nicht an die Demokratie zu glauben, und gemeint, dass Muslime in Österreich nicht Teil der Gesellschaft seien. Armin Bibars, der stellvertretende Leiter des Vereins, der diese Moschee führt, legte in der "ZiB 2" am Donnerstag nach und verurteilte die Anschläge in London nicht eindeutig.

Omar Al-Rawi, der Integrationsbeauftragte der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, zeigte sich im STANDARD-Gespräch erschüttert über die Aussagen, betont aber, dass nur sehr wenige Muslime die Ansichten der beiden Männer teilen würden. "Die Muslime in Österreich leben nicht in einer Parallelgesellschaft", sagt Al-Rawi. Auch wenn viele, etwa am Arbeitsmarkt, benachteiligt würden, fühlte sich die Mehrheit der rund 339.000 Muslime in Österreich als Teil der Gesellschaft.

Al-Rawi fürchtet aber einen Anstieg rassistischer Vorfällen gegen Muslime. "Viele Österreicher unterscheiden nicht zwischen den 98 Prozent gemäßigten Muslimen und dem Rest." Maßnahmen gegen den Extremismus plane die Glaubensgemeinschaft derzeit nicht. Bereits im April 2005 habe sich die erste Imam-Konferenz in Wien gegen jede Form von Extremismus ausgesprochen.

Fatwa gegen Terror

Als Konsequenz aus den jüngsten Anschlägen in London hat am Freitag der Iman Iman Adnan Ibrahim eine "Fatwa" gegen den Terror verkündet. Der Islamgelehrte distanzierte sich in dieser Weisung an die Gläubigen von jeglicher Form des Terrorismus und anderer krimineller Akte.

Wörtlich heißt es in der "Fatwa" von Iman Adnan Ibrahim im Rahmen des Freitagsgebets laut Ö1-"Abendjournal": "Ich rufe dazu auf, dass jeder Moslem, der von der Planung eines Terroraktes hört, wo Menschenleben oder auch Güter zerstört werden, gleich und ohne zu zögern die Sicherheitsbehörden verständigt - und zwar ohne es vorher einem islamischen Gelehrten zu sagen."

Adnan Ibrahim gilt als einer der wichtigsten Islam-Gelehrten in Österreich und hat das volle Vertrauen der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Mit seinem Schritt will er möglichen Radikalismus oder gar Terrorismus im Keim ersticken. (szi/DER STANDARD, Printausgabe, 23./24.7.2005)