London - Nach den neuen Terroranschlägen in London sucht die Polizei nach vier verhinderten Selbstmordattentätern. Wie die britische Presse am Freitag unter Berufung auf Polizeiquellen berichtete, geht Scotland Yard davon aus, dass die Täter wieder islamische Extremisten waren. Ihnen sei es darum gegangen, die Terroranschläge vom 7. Juli zu wiederholen.

Dafür spreche, dass sie wieder drei U-Bahnen und einen Bus ausgesucht und die Bomben fast gleichzeitig gezündet hätten. Mehrere Augenzeugen in den angegriffenen Zügen berichteten, sie hätten die Täter mit ihren Rucksäcken gesehen, in denen Bomben versteckt gewesen seien. Einer habe überrascht aufgeschrien, als sein Sprengsatz nicht explodiert sei, berichtete der "Guardian". Nach einem Bericht des "Daily Telegraph" stand einer der Terroristen neben einer Frau mit einem Baby auf dem Arm, als er den Zünder betätigte.

Polizei lässt Verhaftete wieder frei Die Polizei hat inzwischen zwei nach den neuen Anschlägen in London festgenommene Männer wieder auf freien Fuß gesetzt. Keiner der beiden Männer stehe im Verdacht, in die Anschläge verwickelt gewesen zu sein, sagte eine Sprecherin von Scotland Yard am Freitag. Ein Mann war den Angaben zufolge am Donnerstag in der Nähe der Wohnung von Premierminister Tony Blair in der Downing Street festgenommen worden. Ein weiterer sei im Viertel Tottenham Court Road nahe der U-Bahnstation Warren Street aufgegriffen worden, wo sich eine der insgesamt vier Bombenexplosionen ereignet hatte. Beide Männer wurden den Angaben zufolge noch in der Nacht zum Freitag wieder freigelassen.

Derweil wurden in der Region West Midlands vier Männer wieder auf freien Fuß gesetzt, die nach den Bestimmungen der Anti-Terror-Gesetze festgenommen worden waren. Wie lokale Polizeivertreter mitteilten, waren die Männer in dem Ort Hanley am Mittwoch durch verdächtiges Verhalten aufgefallen. Sie seien zur Befragung mitgenommen worden, während ihr Wagen durchsucht wurde. Die Männer seien nach der Vernehmung wieder freigelassen worden, sagte ein Polizeisprecher in Staffordshire. Ihnen drohe keine Anklage.

Serie befürchtet

Regierung und Polizei befürchten nun, dass sich London vielleicht auf eine lange Serie von Anschlägen einstellen muss. "Das mag für die Leute schwerer zu verkraften sein (als der erste Anschlag)", zitierte der "Independent" einen namentlich nicht genannten Staatssekretär. Allerdings berichteten die Zeitungen auch, dass die Polizei optimistisch sei, die Täter zu fassen.

Anders als vor zwei Wochen, als alle Bomben explodierten, haben die Ermittler nun gleich vier intakte Sprengsätze mit allen damit verbundenen Hinweisen. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man die flüchtenden Täter auf den Filmen der vielen Überwachungskameras in der Londoner U-Bahn und in der Innenstadt erkennen kann.

"Brauchbare" Rucksackbomben

Die Londoner Polizei hat vier "brauchbare" Rucksackbomben entdeckt. Wie die britische Nachrichtenagentur Press Association (PA) berichtete, wurden in drei U-Bahnzügen und einem Bus vier Sprengsätze gefunden, die alle in Rucksäcken steckten.

Drei der vier Sprengsätze seien offenbar genauso schwer und groß wie die Bomben, die am 7. Juli das Nahverkehrsnetz der britischen Hauptstadt trafen und mindestens 56 Menschen töteten. Der vierte gefundene Sprengsatz war demnach kleiner.

Die Ermittlungen bei den Anschlagsversuchen stünden möglicherweise vor einem "bedeutenden Durchbruch", da an den Tatorten wichtige Spuren gesichert worden seien, sagte Scotland Yard-Chef Ian Blair. Auf den Rucksäcken könnten nun Fingerabdrücke und DNA-Spuren sichergestellt werden, hieß es. Ein Experte sprach von einem "kriminaltechnischen Eldorado".

Sprengstoff "schlecht" geworden

Außerdem könne möglicherweise festgestellt werden, ob der verwendete, aber nicht explodierte Sprengstoff zur selben Quelle wie die Bomben vom 7. Juli gehört, hieß es am späten Abend. Gemutmaßt wurde, dass es sich um Sprengstoff aus derselben Tranche wie vor zwei Wochen handeln könnte, weil er innerhalb dieser Zeitspanne quasi "schlecht" geworden und deshalb nicht explodiert sei. Bei den Selbstmordattentaten von vier moslemischen Briten vor zwei Wochen waren in der Metropole 56 Menschen getötet und etwa 700 verletzt worden. Drei der vier Sprengsätze seien offenbar genauso schwer und groß wie die Bomben des 7. Juli gewesen, meldete die Nachrichtenagentur Press Association.

Bomben "recht konventionell"

"Die Absicht war zu töten", sagte Ian Blair am Abend. "Diese Absicht haben die Terroristen aber nicht umsetzen können." Wie viele Leute an der Tat beteiligt waren, sei noch nicht bekannt, sagte Blair weiter. Der Scotland Yard-Chef sagte außerdem, die Bomben seien anscheinend "recht konventionell" gewesen.

Die neuen Anschläge trafen die Metropole ins Mark, auch wenn es keine Opfer gab. Zahlreiche U-Bahn-Stationen waren vorübergehend evakuiert worden, scharenweise wurden in Panik geratene Fahrgäste aus den Waggons geholt. Das Regierungsviertel Whitehall wurde kurzzeitig abgesperrt. Von den Anschlägen waren neben der Station Warren Street im Norden die U-Bahnhöfe Oval im Süden, Shepherd's Bush im Westen sowie ein Bus in der Hackney Road im Osten betroffen.

"Zur Normalität zurückzukehren"

Premierminister Tony Blair rief die Bevölkerung auf, ihrer normalen Tätigkeit weiter nachzugehen. Er forderte die Briten auf, wie in der Vergangenheit mit der bekannten Ruhe, Würde und Entschlossenheit zu reagieren. Das Ziel der Attentäter sei ja gerade, die Leute einzuschüchtern. "Wir wollen so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren." (APA/dpa/AP)