Als "besitzergreifend, was ihre Quellen angeht, leidenschaftlich verbunden mit ihren Storys und ein wenig obsessiv", charakterisierte New York Times-Herausgeber Bill Keller in einer nachsichtig gemeinten Äußerung seine umstrittene Starschreiberin Judith Miller. Weil sie ihre Quelle in der Affäre Plame nicht preisgeben wollte, sitzt die Pulitzer-Preisträgerin in einem Gefängnis in Alexandria im Bundesstaat Virginia. Miller, die 1977 in der Washington-Redaktion der New York Times anfing, galt als Prototyp des Journalismus nach den Watergate-Aufdeckern Woodward und Bernstein: statt Recherche exzessives Arbeiten mit einem Netzwerk anonym gehaltener "Quellen".
Miller schrieb übrigens keine Zeile über die Affäre der enttarnten CIA-Agentin Plame, die Bushs Argumentation für den Irakkrieg diskreditierte. Tatsächlich bereitete die NYT-Journalistin die öffentliche Meinung auf den Krieg vor, gestützt vor allem auf ihre lange Freundschaft mit dem vom Pentagon kreierten irakischen Exilpolitiker Ahmed Chalabi. "Überläufer stärken die Argumentation der USA gegen den Irak, sagen Regierungsvertreter", lautete etwa im Jänner 2003, drei Monate vor dem Angriff, der Titel einer ihrer Geschichten.