Nach unserem heutigen Verständnis von Individualismus und Selbstverwirklichung würde absolute Freiheit Anarchie bedeuten, also eine Gesetz- und Grenzenlosigkeit, die in Gewalt und damit in der Zerstörung der Gesellschaft endet. Deshalb halten wir absolute Freiheit für eine Utopie. Demnach findet man Freiheit nur im Frieden. Man lebt zwar mit allen Einschränkungen und Rücksichtnahmen, die eine Gesellschaft und ihre Gesetze fordern, aber auch in der größtmöglichen Freiheit. Paradox ist, daß die Zerstörung der Gesellschaft durch Gewalt/Krieg von innen wie von außen mit Gewalt/Krieg verhindert werden soll, personifiziert durch den Staat und seine ausführenden Organe. Deshalb liegt der Schwerpunkt unserer künstlerischen Arbeit in der Auseinandersetzung mit dem Thema der Gewalt und ihren gesellschaftlichen Funktionen wie z.B. dem Umgang mit Waffen in unserer Gesellschaft und der Akzeptanz und Verdrängung von Militär und Krieg.

„Das WHO IS WHO der Diktatoren des 20. Jhd.“

Das „Das WHO IS WHO der Diktatoren des 20. Jhd.“ soll ein Objekt mit Produktcharakter sein. Konkret heißt das: ein Set von 20 Diktatoren im Maßstab 1:35 (=5,5cm) mit informativem Handbuch in einer flachen, grünen Schachtel mit Plastiksichtfenster. In einer weißen Tiefziehplastikform liegen je 4 Diktatoren übereinander und je 5 nebeneinander, daneben (sozusagen auf der anderen Hälfte der Schachtel) liegt das A5 große Heft. Die Diktatoren sind aus Zinn und handbemalt. Es sind nur Diktatoren aus dem 20. Jhd. in chronologischer Abfolge ihrer Regierungsantritte:angefangen mit Benito Mussolini (Italien, 1922-43) bis Slobodan Milosevic (Serbien, Jugoslawien, 1989-2000) als Nr. 20. Diese Arbeit soll sensibel machen für die Tatsache, daß Aggressivität eine menschliche Eigenschaft ist. Frieden und damit unsere Freiheit sind keinesfalls selbstverständlich. Darüber hinaus steht diese Ansammlung von Diktaturen nur des 20. Jhd. unserem Bild des zivilisierten Menschen des 20. Jhd. mit all seinen gesellschaftlichen und technischen Errungenschaften (rationalen Denken, Affektkontrolle, demokratische und humanistische Werte) gegenüber.

„Schießstand“

Der „Schießstand“ soll eine benutzbare Installation im Innenraum/Ausstellungraumsein. Er besteht aus 3 Schießbahnen mit der Länge von 10m (Internationale Wettkampfdistanz für Luftdruckpistolen). Die Konstruktion besteht aus Gipskartonplatten und Dachlatten. Jede Schießbahn ist mit einer Kurbelanlage zum Schießscheiben-nach-hinten-transportieren, einer unterschiedlichen Luftdruckpistole und seperater Schießscheibenbeleuchtung ausgestattet. Von uns mit eigens dafür entworfenem Stempel gestempelte Schießscheiben wie auch Munition sind umsonst. Jeder kann soviel schießen wie er will. Die Waffen sind freierhältliche Luftdruckpistolen mit CO2-Patronen angetrieben, einem 8-Schußtrommelmagazin und immitieren in ihrem Aussehen echte Waffen. Ausgehend von der Tabuisierung von Waffen, auch als Stellvertreter von Macht und Gewalt, zeigt unser „Schießstand“ die Faszination, die von Waffen ausgeht und die Lust am Schießen, und somit auch die Lust an der Macht. Aus diesem Grund ist das Design und die Funktion der ausliegenden Luftdruckwaffen an das der Waffen angelehnt, welche wir schon tausendmal in Film und Fernsehen gesehen haben. Sie stehen in Verbindung mit Bildern von Action, Spannung, Abenteuern und wahren Helden aber auch von Gewalt, Zerstörung, Schmerz und Leid.

„Trickle down“

Die Arbeit „Trickle down“ soll eine begehbare Stahlskulptur im Außenraum sein. Sie hat die Form eines orginalgroßen U-Bootturms( 2m hoch, 2m an der breitesten Stelle, 3,50m lang ), der gerade aus der Erde/Wiese/Asphalt aufgetaucht ist. Die Skulptur trägt den Namen “trickle down” (engl.: trickle = rieseln, tröpfeln, sickern). Angelehnt an den Begriff des Trickle-down-Effekts aus der Reagan-Ära, welcher die These bezeichnet, daß Wirtschafts-wachstum und allg. Wohlstand der Reichen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickere, kann man sagen, daß die Errungenschaften der Militärforschung und -technik teilweise für zivile, friedliche Zwecke nutzbar gemacht werden. Das U-Boot, als ausschließliche Kriegswaffe entwickelt (1864) und heute auch als Forschungsgerät (Cousteau`s Tiefseetauchboot) genutzt, steht für obrige These. Somit symbolisiert der U-Bootturm formal mit seiner Größe die massive und allgegenwärtige Präsenz des Militärs in der Welt , welches unsere Freiheit gleichzeitig beschützt und bedroht. Inhaltlich symbolisiert es die Ambivalenz der Militärforschung und -technik, die für friedliche Zwecke genutzt wird, aber die Hauptziele dieser Forschung liegen in der effektivsten Zerstörung. Gleichzeitig steht das U-Boot methaphorisch für alles Verborgene, im Untergrund passierende und Unsichtbare. (Text: Katharina Arndt und Gero Neumeister)

Zu den Personen

Gero Neumeister, 1968 in Hamburg geboren, lebt als frei schafender Künstler in Braunschweig, wo er auch studierte. Seit 2004 arbeitet er mit der Künstlerin Katharina Arndt zusammen.

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen

1998 Junge Kunst im Zweiten "hübsche bunte Welt", Staatstheater BS
1999 Projekt Jahnstrasse "Fremdenzimmer", Braunschweig (BS)
2000 Alter Bahnhof "Alles Bahnhof ", Geesthacht
2001 Hoffmann&Janitschke "Save My Works", Wolfenbüttel
2002 BIZ "Klasse Virnich", Mönchengladbach
VHV "Klasse Virnich", Hannover
2003 Kunstraum "Neumeister", Süderbrarup
HBK "Ich mach mir die Welt", Braunschweig
2004 Maier`s "SO KOMMT DOCH WENN IHR MEHR WOLLT", Erlangen
Bei Arne "Wohnraumkunst", Braunschweig
2005 Galerie auf Zeit "Extraschrot", Braunschweig

Arndt, Katharina, geboren 1977 in Oschatz, lebte und studierte in Indien, Thailand und Nepal, und absolvierte ein Studium der Freien Kunst an der HBK in Braunschweig. Mit der Zusammenarbeit mit Gero Neumeister begann sie sich der allgemeineren Betrachtung von Gewalt und Macht in der Gesellschaft gemischt mit dem männlichen Blick auf Militär, Krieg, Waffen zuzuwenden.

Ausstellungen:

2001: Galerie auf Zeit „Bloomsday“, Braunschweig (BS)
Buchhandlung GRAFF „Bouvard&Pecuchet“, BS
2003: Galerie der HBK Braunschweig „My Favourites“
2004: Stiftung Starke „Home alone“, Klasse Armleder, Berlin
Halle für Kunst „Provide it“, Lüneburg
Andreaskirche „Cherry Pickers“, BS
Galerie der HBK Braunschweig „Förderer fördern“
2005: Galerie auf Zeit „EXTRASCHROT“, BS
Kunstclub „Neon Vision“, Berlin

Details zu den Lebensläufen beider kann man dem nebenstehenden pdf-file entnehmen.