Beim Blick über Peking fällt auf, dass der kugelige Theaterneubau das Stadtbild beherrscht. Links hinten, eher unauffällig zeigt sich die verbotene Stadt.

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Viele historische Stadtviertel in Peking sind für Neubauten bereits geschleift oder durch hässliche Bauwerke verschandelt worden.


Pekinger Denkmalschützer und städtische Kulturinitiativen haben zum ersten Mal seit Gründung der Volksrepublik einen Sieg gegen die fortschreitende Zerstörung des einst kaiserlichen Stadtkerns der Hauptstadt errungen. Die ehemaligen Wohnviertel um den weltberühmten Kaiserpalast dürfen künftig nicht weiter abgerissen oder im privaten Wohnungsbau kaputtmodernisiert werden. Zumindest das, was von ihnen heute noch erhalten ist.

Die UN-Kulturorganisation Unesco genehmigte auf ihrer 29. Kulturkonferenz im südafrikanischen Durban die von ihr angeforderten Pekinger Pläne zur Erhaltung eines Schutzgürtels um die 1987 zum Weltkulturerbe erklärte Verbotene Stadt. Die Innere Nordstadt wird nun mit ihren 1377 Hektar an traditionellen Hofhäusern, Straßenzügen und Seen als eine Art Puffer um das eigentliche Palastmuseum unter besonderen Schutz gestellt.

Druck von außen

Die Einsicht der Pekinger Behörden das Alte zu erhalten kam spät und nur auf Druck von außen. Neubauten müssen kulturangepasst geplant werden und dürfen nicht höher als neun Meter sein. Die staatliche Wohnungsverwaltung des Bezirks Innenstadt muss ihren sechsstöckigen Bürokomplex auf halbe Höhe zurückbauen. Die Arbeiten für ein in der Nähe des Trommelturms geplantes neues Theaterhaus wurden eingestellt.

Für viele alte Nachbarschaftsviertel in der Kaiserstadt kommt die Entscheidung zu spät. Seit das Olympische Komitee Peking die Sommerspiele 2008 zusprach, wurden ganze Stadtviertel geschleift. Ihre Bewohner bekamen Abfertigungen und wurden in die Vorstädte vertrieben.

Wildwuchs

Pekings einst harmonische in Nord-Süd-Anordnung konstruierte Innenstadt gleicht mit ihrem Wildwuchs an Baustilen von sozialistischen Zuckerbäckerfassaden bis zu westlich postmodernen Experimentalbauten heute nur noch einem architektonischen Gruselkabinett.

Für viele Pekinger werden alle bisherigen baulichen Scheußlichkeiten von dem in diesem Jahr fertig werdenden Nationaltheater direkt vor dem Kaiserpalast noch übertroffen. Der 2001 begonnene, umstrittene Superbau mit Opernhaus, Konzert- und Theaterhallen für mehr als 5000 Besucher wird von einer 46 Meter hohen, freistehenden Kuppel überdacht.

Chinas ehemaliger Parteichef wünschte sich den in einem Teich gelegenen Prestigebau vom französischen Architekten Paul Andreu, der ihn als "schimmernde Perle" konstruierte. Pekinger verspotten die ovale Riesenkugel als "französisches Ei", als " Grabhügel" und als Mahnmal für die verschwenderische Prunksucht des heutigen Chinas. Der Bau des Theater soll mehr als 300 Millionen Euro kosten. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.07.2005)