Gleich zwei ÖVP-Minister fühlten sich am Montag in Brüssel bemüßigt, Aussagen ihres Kabinettskollegen Karl-Heinz Grasser zur EU und zu Verhandlungen mit der Türkei zu widersprechen. Während Außenministerin Ursula Plassnik dies diplomatischer tat, wurde Landwirtschaftsminister Josef Pröll deutlicher: Er sei "überrascht" gewesen, sagte Pröll zu Äußerungen des Finanzministers in den Montagsausgaben von Financial Times und STANDARD. Als "überflüssig" bezeichnete er die Forderung Grassers nach "weniger Europa". Dies sei "völlig unzutreffend", meinte er: "Renationalisierung ist sicher nicht das Ziel."

Auch bei der Frage der Aufnahme von EU- Beitrittsverhandlungen mit der Türkei widersprach Pröll Grasser deutlich, der sich dafür ausgesprochen hat, "dass man die Verhandlungen überhaupt verschiebt". Pröll vertrat die Ansicht, dass "man alles, was man in Aussicht gestellt hat, auch einhält". Man solle die Position nicht ständig ändern.

Auch Außenministerin Ursula Plassnik sieht nach Grassers Äußerungen "keinen Grund für die österreichische Bundesregierung, unsere Haltung zu ändern". Sie fügte hinzu: "Am Ende eines sehr langen Verhandlungsprozesses kann es einen Beitritt geben, muss aber nicht."

Sie werde diese Position "auch dem Finanzminister und den übrigen Mitgliedern der Bundesregierung gerne erklären", ergänzte sie etwas genervt. In Österreich kritisierten Grüne und SPÖ Grasser und fragten nach der Regierungslinie.

Am Dienstag betonte sie im Ö1-Mittagsjournal erneut: "Am Verhandlungstermin ist festzuhalten, das weiß auch der Finanzminister". Dies entspreche dem Beschluss des Europäischen Rates und der Regierung in Österreich.

Gleichzeitig lobte sie die von Grasser aufgeworfene Frage nach "mehr oder weniger Europa". Man könne nicht pauschal sagen, dass "mehr Europa" die Lösung aller Probleme bringen werde. Allerdings sei in manchen Bereichen - etwa bei der Sicherheit oder bei der Beschäftigung - eine stärkere europäische Zusammenarbeit gefordert, um gute Ergebnisse zu bringen, sagte die Außenministerin.

Verhandlungsstart 3. Oktober

Beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel gab es am Montag laut Plassnik "keine Substanzdebatte" zum Verhandlungsmandat der EU mit der Türkei. Österreich werde sich weiter für eine Alternative zu einem EU-Beitritt einsetzen, so Plassnik. "Wir haben immer gefunden, dass es klug wäre, eine Alternative ausdrücklich anzusprechen."

Auch die Aufnahmefähigkeit der EU müsse berücksichtigt werden. "Ich würde mir erwarten, dass diese Gesichtspunkte bei der Festlegung des Verhandlungsrahmens unmissverständlicher reflektiert werden." Die Außenminister werden im September weiter diskutieren, bevor sie vor dem Verhandlungsstart mit der Türkei am 3. Oktober das Mandat beschließen müssen.

In Österreich ist laut dem am Montag präsentierten Eurobarometer die Zustimmung zu einem EU-Beitritt der Türkei mit großem Abstand am niedrigsten. Nur zehn Prozent der Österreich sind dafür, womit die Zustimmung seit Herbst um 17 Prozent gesunken ist. Deutsche und Franzosen folgen mit 21 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt bei 35 Prozent.

Die EU-Außenminister verabschiedeten am Montag auch die Reform der EU-Abgeordnetengehälter, die ab 2009 umgesetzt wird. Die EU-Parlamentarier erhalten künftig einheitlich 7000 Euro monatlich. (DER STANDARD, Printausgabe, red, 19.7.2005)