Foto: Thomas Rottenberg

Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war vor drei Tagen. Jedenfalls habe ich da dann das Foto mit dem Handy gemacht. Und zum einen endlich erkannt, wieso es so unendlich wichtig ist, dass in mein Mobiltelefon ein Fotoapparat eingebaut ist. Und zweitens begonnen, den alten Flugzettel wieder zu finden. Leider ohne Erfolg.

Aber A. bezweifelt ohnehin, dass ich mich dann, wenn ich das Bestellblatt irgendeines der zahllosen Chinarestaurants in der Umgebung wieder ausgegraben hätte, jemals den Mut hätte, tatsächlich Posten E32 zu bestellen. Nie im Leben.

Kinderpapillen

Denn dazu, meint A., sei mein Geschmackssinn immer noch viel zu kindlich organisiert: Was ich nicht kenne, das ordere ich nicht, behauptet sie. Weder per Telefon noch im Netz – und als Beweis führt sie dann an, dass ich ja auch bei unseren Pizza-, Hendl-, Thai- und Sushidiensten nicht mehr als meine Kundennummer angeben müsste. Die Varianz meiner Zustellgastroabenteuerlust sei gleich Null. Und deshalb würde ich nie die "Ente mit komischem Geschmack" ordern.

Ich schäme mich dann immer ein bisserl. Aber nur insgeheim. Denn ich habe es tatsächlich nicht einmal geschafft, mich zu "Glück allen Familien" durchzuringen. Aber zu meiner Verteidigung merke ich an, dass ich es immerhin einmal versucht habe: Einmal habe ich versucht zu fragen, was "Ente mit komischen Geschmack" denn sei.

Komisch – für Europäer

Zugegeben: Bestellt habe ich dann aber doch das übliche Zeug. Weil die Erklärung "Ente, die was schmeckt komisch – zumindest für meiste Europäer" nicht wirklich erhellend war. Obwohl ich von Fernost-Zustellern eigentlich noch nie absolut Unessbares bekommen habe. Und obwohl ich mich im Ausland an den Rat meines Lieblingshaubenkoches halte.

Der gute Mann meint nämlich, dass er überall das äße, was die regionale Küche anböte – "auch wenn es gegrillter Lurch auf Rattenrücken ist." Aber bei "Ente mit komischem Geschmack" gab der gute Mann zu, hätte sogar er "bei einem Championsleague-Fernsehabend ein komisches Gefühl – weil ich da ja zu Hause bin."

Partywitz

Geschenkt: Ich habe den Bestellzettel mit Namen und Telefonnummer des Lokals ja ohnehin verschmissen – und irgendwann taugte der Menüpunkt E32 dann sowieso nur noch zum lauen Partywitz. Bei dem zudem etwa 30 Prozent der Zuhörer behaupteten, er sei frei erfunden. Bis vor drei Tagen. Denn da bin ich an einem Chinaladen vorbei geradelt – und hätte mich fast derstessen: M11 lachte mir von der Tafel des Chinesen entgegen. "Komisches Huhn".

Ich griff zum Handy und drückte ab. Leider hatte der Laden gerade zu. Nachmittagspause oder so. Jedenfalls behauptete ich das, als mich A. fragte, wie das komische Hendl denn schmecke. Oder ob ich mir eines hätte einpacken lassen. Aber irgendwann wird auch die letzte Ausrede aufgebraucht sein. Und dann werde ich hinein beißen müssen. Ins komische Huhn. Auch wenn ich wirklich scharfe Speisen selten lustig finde – aber zumindest A. wird dann an meinem Schweißausbruch samt Gesichtsfarbdurchlaufprogramm ihren Spaß gehabt haben.