Wien - "Mir gefällt's hier, ich würde bleiben." Dabei hat Johannes Falckenstein (23), einer jener mehreren Hundert deutscher Medizin-Aspiranten, die sich dieser Tage vor der Studien- und Prüfungsabteilung der Wiener Medizin-Uni drängen, noch nicht viel von der Stadt gesehen.

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Seit Dienstag sitzt Falckenstein, mit Schlafsack und Sonnenschirm ausgerüstet, auf den Stufen vor der Inskriptionsstelle. Am Donnerstag ist er bis direkt vor die Tür vorgerückt - und konnte Punkt 14 Uhr seine Anmeldung zum Medizinstudium feiern. Befürchtungen, wonach mit dem Ansturm der Deutschen künftig zu wenig Ärzte für Österreich übrig blieben, hält Falckenstein entgegen: "Hier verdient man doch viel besser." Also will er bleiben.

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Jasmin Gellesch (22), eine Schlafmatte weiter, überlegt noch. Aber in einem ist sie sich sicher: "Wir nehmen den Österreichern die Plätze eh nicht weg." Die konnten sich nämlich bereits drei Tage vor dem EuGH-Urteil von 7. Juli auf die Voranmeldeliste schreiben.

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Und das Argument, jetzt kämen nur die deutschen Schulversager, die ob des dort bestehenden Numerus-clausus-Systems keine Chance hätten, stößt der Gruppe vor der Inskriptionsstelle sauer auf: "Ich komme nicht hierher, um Party zu machen", erklärt Sami Al-Shajlawi (25), der den Regenguss in der Nacht genauso mitgemacht hat wie die sengende Mittagshitze tags darauf: "Wenn die Standards hoch sind, hab ich kein Problem damit." Also hat er die rund 630 Kilometer aus dem Raum Stuttgart mit dem Auto zurückgelegt - um in Wien auf rund 200 künftige Kommilitonen zu treffen, die ähnliche Strapazen auf sich nahmen.

Insgesamt hatten sich mehr als 1200 Deutsche im Internet vorangemeldet. Am Dienstag verkündete die Medizin-Uni den Aufnahmestopp. Mit Stand Donnerstagnachmittag waren von den 1560 vorhandenen Plätzen bereits 1224 vergeben, 1043 davon an Österreicher und nur rund 100 an Numerus-clausus-Flüchtlinge.

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Laut Bernd Matouschek, Sprecher der Medizin-Uni Wien, deckt sich das Zahlenverhältnis zwischen Österreichern und Deutschen fast zu hundert Prozent mit dem der Vorjahre. Der Grund: Österreichische Studierwillige konnten zwischen dem Beginn der Inskriptionsfrist am 4. Juli und dem nach dem EuGH-Urteil erfolgten Zugansbeschränkungen am 8. Juli einen Vorteil verbuchen. Wer sich in dieser Zeit angemeldet hat, bekommt seinen Platz fix.

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Verfassungsjuristen geben Klagen nicht zugelassener Deutscher gute Erfolgschancen. Und tatsächlich: Im Rektorat der Medizin-Uni stapeln sich die Anwaltsbriefe. Dort heißt es, das "First come, first serve"-Prinzip" sei "völlig gesetzeskonform".

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Wer bis Donnerstag nicht inskribieren konnte, kann nur noch nach Graz ausweichen. Denn auch die Medizin-Uni Innsbruck ist voll - mit rund 400 Österreichern und 900 Deutschen. In Graz haben sich bislang 1190 Österreicher für die im September startende Inskription vorangemeldet, Deutsche dürfen erst seit Donnerstag. (Karin Moser und Eli Widecki/DER STANDARD, Printausgabe, 15.7.2005)

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