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Neuer Hüter des Stabilitätspakts: Großbritanniens Finanzminister Gordon Brown beim ersten Treffen der Finanzminister seit der britischen Vorsitzübernahme.

Foto: AP/Mayo
Erstmals wird der reformierte EU-Stabilitätspakt angewandt. Die EU-Finanzminister folgten am Dienstag in Brüssel einmütig einem Vorschlag der EU-Kommission, Italien zwei Jahre Zeit zu geben, sein Defizit wieder unter die Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu bringen.

Italien gab an, sich an die Vorgaben halten zu wollen. Finanzminister Domenico Siniscalco kündigte an, in den nächsten zwei Jahren insgesamt 24 Milliarden Euro durch Ausgabenreduzierung und der Verbesserung der Einnahmen einsparen zu wollen. Nähere Details nannte er in Brüssel nicht. Allerdings ist 2006 ein Wahljahr, das die Umsetzung des angekündigten Sparpakets schwierig machen dürfte.

Nach Berechnungen des EU-Statistikamtes Eurostat verzeichnete Italien in den Jahren 2003 und 2004 ein Defizit von jeweils 3,2 Prozent und wird auch heuer und nächstes Jahr mit über vier Prozent deutlich über dem Grenzwert liegen.

Heuer kein BIP-Wachstum erwartet

Ein Grund dafür, warum Italien statt der üblichen Frist von einem Jahr ein zweijähriger Aufschub eingeräumt wurde, ist das Wachstum. Italien erwartet heuer gar keinen BIP-Anstieg, nächstes Jahr soll es wieder leicht aufwärts gehen. Der Stabilitätspakt erlaubt nach der Reform, dass die Regeln übergangsweise nicht so strikt eingehalten werden müssen, wenn ein Land unter einer Wachstumsschwäche zu leiden hat.

Italien war aber nicht der einzige Budgetsünder, mit dem sich die Minister in ihrer Sitzung - erstmals unter dem neuen britischen Ratsvorsitzenden Gordon Brown - beschäftigten: Portugals Premierminister José Socrates wurde aufgefordert, Garantien vorzulegen, wie die Defizitziele erreicht werden können. An die Regierung erging die Aufforderung "so bald als möglich nachhaltige Korrekturen" am Budget und Strukturreformen vorzunehmen.

Portugals BIP soll nur um 0,5 Prozent wachsen

Portugal weist mit 6,2 Prozent das höchste Defizit in der Eurozone aus. Auch gegen Portugal soll ein Defizitverfahren eingeleitet werden. Es wird erwartet, dass die EU-Kommission bei der Präsentation ihrer Empfehlungen für den Defizitabbau dies auch offiziell ankündigt. Auch in Portugal haben sich die Wachstumserwartungen nicht bestätigt. Für heuer wird nur ein Anstieg des BIP um 0,5 Prozent erwartet.

Auch Deutschland drohen angesichts der anhaltend hohen Neuverschuldung verschärfte Auflagen durch die EU. Währungskommissar Joaquin Almunia sagte am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel, dass eine Wiederaufnahme des Defizitverfahrens im Herbst möglich sei. Der deutsche Finanzminister Hans Eichel zeigte Verständnis für diese Überlegungen, machte aber die Opposition dafür verantwortlich, dass Deutschland 2006 zum fünften Mal in Folge die 3-Prozent-Marke überschreitet. Laut Eichels Angaben klafft überdies ab 2007 eine Finanzlücke von 25 Milliarden Euro. (Alexandra Föderl-Schmid aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.7.2005)