Natürlich hinkt der Vergleich. Drüben, an Manhattans Lower East Side, ist Zorns Hyperaktivität ungebrochen. Seit 1995 betreibt er dort sein Tzadik-Label, dessen Output das Aufnahmevermögen auch von geeichten Musikmägen übersteigt. Rund zwei Dutzend CDs sind allein von Masada erschienen, jener Band, mit der der Erfinder der "Game Pieces" und des musikalischen Cut-up-Technik, der seine polystilistischen Interessen im Postmoderne-Quintett Naked City auf die Spitze trieb, 1994 überraschte:
Homogene Klezmer-Jazz-Kammermusik im Geiste Ornette Colemans hörte man hier statt wahnwitziger akustischer Comic-Strips. Bei Masada ist's seither auch geblieben, wohl auch, weil Zorn seinen Hunger nach Neuem nun als Produzent ausleben kann. Und ihm das Quartett ins Konzept seiner Radical Jewish Music, der nicht unproblematischen Suche nach und Formulierung von jüdischen Musik-Identitäten, passt.
Es ist eine Ideologie, die man ob der Musik von Masada, mit der sich der Alte Schl8hof in Wels nun sein 20-Jahr-Jubiläum versüßte, am besten beiseite lässt - müsste man dem Projekt doch musiktouristische Oberflächlichkeit attestieren.
Abseits davon lässt sich von einer perfekt eingespielten Band sprechen, in der Altsaxofonist John Zorn, umringt von Improvisationsvirtuosen - Dave Douglas (Trompete), Greg Cohen (Bass) und dem glänzenden Joey Baron (Schlagzeug) -, ein schlichtes Konzept realisiert: Orientalisierende Melodien, von Pedalbässen unterlegt, von treibenden, tanzartigen Rhythmen durchpulst - derlei kennt man aus der "imaginären Folklore" eines Louis Sclavis. Wobei die vier Herren keinen Grund sahen, allzu früh altersmilde Dezenz zu zelebrieren, stattdessen ihrem Expressionsdrang nachgaben.