Wien - "Was ist jüdische Architektur?" Diese Frage steht im Mittelpunkt der Ausstellung "Eine Zeit zum Bauen. Jüdische Identität in zeitgenössischer Architektur", die vom 13. Juli bis 4. September im Jüdischen Museum Wien gezeigt wird. Antwort darauf bietet die Schau mit einer Auswahl wichtiger internationaler Bauten, die seit den 90er Jahren für jüdische Einrichtungen geplant und großteils auch realisiert wurden.

"Ein Architekt muss nicht unbedingt jüdisch sein, um ein überzeugendes jüdisches Gebäude zu bauen. Es geht vielmehr um die Einfühlung", erläuterte im Rahmen der heutigen Presseführung Kuratorin Angeli Sachs vom Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam, das die Wanderschau erarbeitet hat. Jüdische Identität finde ihren architektonischen Ausdruck oft in der Bezugnahme auf die jüdische Geschichte. So seien wiederkehrende Phänomene in der Architektursprache die Themen Wanderung und Wüste oder der festungsartige Tempel und seine Tempelmauer, die "Klagemauer".

Für Daniel Libeskind symbolisieren die schrägen Räume und die ins Leere führenden Gänge im Jüdischen Museum in Berlin die Verunsicherung der Diaspora. Das weltweite Interesse, das Libeskinds Entwurf erregt habe, war auch der Auslöser für die Konzeption der Ausstellung, so Sachs, und sei beispielhaft für ein neues jüdisches Selbstbewusstsein gerade im deutschsprachigen Europa, das sich auch in der Architektur zeige.

Mit der Konzentration auf Museen, Synagogen, Gemeindezentren und Schulen in Europa, Israel und den USA habe man sich bewusst gegen den Mahnmal-Aspekt und für eine in die Zukunft gerichtete Perspektive entschieden. Neben internationalen Projekten unter anderem von Frank O. Gehry, Moshe Safdie und Mario Botta legt die Ausstellung einen Schwerpunkt auf Wiener Bauten: das Museum auf dem Judenplatz mit der Ausgrabung der mittelalterlichen Synagoge, das Mahnmal von Rachel Whiteread, den Umbau des Jüdischen Museums im Palais Eskeles und die beiden jüdischen Schulen von Adolf Krischanitz.

3000 Jahre jüdische Architekturgeschichte

Eine Installation von Schülern und Schülerinnen der Lauder Chabad Schule, die Krischanitz am Rand des Augartens gebaut hat, liefert als Reflexion über das subjektive Erleben von Architektur auch den Auftakt der Schau. In einem ansprechenden Raumkonzept mit farbigen Wänden (Ausstellungsgestaltung: August Sarnitz) werden im Folgenden Modelle, Skizzen und Fotografien präsentiert. Dass sich heutige Architekten von der über 3000-jährigen jüdischen Architekturgeschichte inspirieren ließen, etwa Frank Lloyd Wright von osteuropäischen Holzsynagogen, belegt ein chronologischer Überblick vom Tempel in Jerusalem bis zum Washingtoner Holocaust Museum.

Ergänzend wird ein Film gezeigt, der Gespräche mit Architekten, unter anderem Krischanitz und Botta, festhält. Und im Prestel Verlag ist ein zweisprachiger Katalog (dt./engl.) zu 59 Euro erschienen. (APA)