Berlin - Noch vor der Entscheidung über eine vorgezogene Wahl in Deutschland planen die Parteien für den Herbst. Die Wahlprogramme von Union, SPD und Grünen liegen vor. Die FDP legte ein "Wahllexikon" vor. Die PDS präsentiert ihr Wahlprogramm am Sonntag.

Arbeitsmarkt

CDU/CSU: Der Kündigungsschutz soll bei Neu-Einstellungen in Firmen bis 20 Beschäftigte ausgesetzt werden. Betriebliche Bündnisse können Abweichungen vom Tarifrecht vereinbaren. Staatliche Lohn-Zuschüsse sollen Anreize für Niedriglohn-Jobs schaffen. Langzeit-Arbeitslose sollen 10 Prozent unter Tarif eingestellt werden können. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen von 6,5 auf 4,5 Prozent sinken.

SPD: Der Kündigungsschutz soll beibehalten werden. Die Tarifparteien sollen Mindestlohn-Regelungen in allen Branchen vereinbaren, notfalls soll ein Gesetz greifen. Die Höchstbezugsdauer von Arbeitslosengeld für Ältere soll später als geplant sinken. In Ostdeutschland sollen Langzeit-Arbeitslose künftig so viel Geld bekommen wie im Westen.

GRÜNE: Die Zahlungen an Langzeit-Arbeitslose sollen deutlich steigen, der Ost-Satz an West-Niveau angepasst werden. Die Lohn-Nebenkosten sollen gesenkt werden. Als Ausgleich soll Geld aus der höheren Spitzensteuer und durch Subventions-Streichungen eingesetzt werden.

FDP: Kündigungsschutz soll erst nach zwei Jahren Firmenzugehörigkeit gelten - und nur für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten. Das Tarifrecht soll so geändert werden, dass bei einem Ja von Dreiviertel der Belegschaft Lohnkürzungen oder längere Arbeitszeiten zur Arbeitsplatzsicherung möglich sind - trotz Flächen-Tarifvertrag.

Steuern:

CDU/CSU: Die Mehrwertsteuer soll 2006 von 16 auf 18 Prozent steigen - zur Senkung der Lohn-Nebenkosten. Der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 39 Prozent sinken, der Eingangssteuersatz von 15 auf 12 Prozent. Eine Netto-Entlastung gibt es nicht: Steuervergünstigungen für Pendler oder Eigenheim-Käufer werden reduziert oder gestrichen. Familien sollen besser gestellt werden. Die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge soll abgeschafft werden. Für Konzerne soll die Köperschaftssteuer von 25 auf 22 Prozent sinken.

SPD: Ein Mehrwertsteuer-Erhöhung wird strikt abgelehnt. Für Topverdiener über 250 000 Euro soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent steigen, bei Eheleuten ab 500 000 Euro. Die Körperschaftssteuer sinkt von 25 auf 19 Prozent. Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeits-Zuschläge sollen steuerfrei bleiben.

GRÜNE: Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Ökosteuer. Der Spitzensteuersatz steigt von 42 auf 45 Prozent. Deutsche mit Wohnsitz im Ausland sollen im Inland Einkommenssteuer bezahlen. Erwogen wird auch die Neueinführung einer Vermögenssteuer auf private Vermögen.

FDP: Der linear-progressive Steuersystem soll durch ein Dreistufen- Modell abgelöst werden mit 15, 25 und 35 Prozent - auch für Kapitalgesellschaften und andere Körperschaften. Unternehmenssteuer: zwei Stufen mit 15 und 25 Prozent. Keine Mehrwertsteuer-Erhöhung.

Gesundheit/Soziales/Familie

CDU/CSU: Eine einkommens-unabhängige "Gesundheitsprämie" für alle versicherten soll die Finanzierung des Gesundheitswesens von den Lohn-Nebenkosten abkoppeln. Die Prämienhöhe ist noch offen. Die Pflegeversicherung soll um kapital-gedeckte Elemente ergänzt werden. Rentenbeitrags-Zahler erhalten für nach dem 1. Jänner 2007 geborene Kinder bis zwölf Jahren einen Beitragsbonus von 50 Euro im Monat. Pro Familienmitglied sind 8000 Euro Einkommensteuer-Freibetrag geplant. Keine Aussage zu Studiengebühren, CDU-Bundesländer planen sie aber.

SPD: Eine "Bürgerversicherung" soll auch Beamte und Selbstständige einbeziehen. Grundlage bleibt das Einkommen. Das Modell soll auch bei der Pflegeversicherung greifen. Zusätzliche kapitalgedeckte Altervorsorge soll weiter gefördert werden. Durch weniger Frühverrentung sollen mehr Menschen bis zum gesetzlichen Rentenalter 65 arbeiten. Ein Jahr Elterngeld - nach Modellrechnung 67 Prozent des letzten Nettolohnes. Schrittweise Einführung einer Gebühren- Freiheit für Kinder-Tagesstätten. Keine Studiengebühren.

GRÜNE: Bei Kranken- und Pflegeversicherung setzen die Grünen auf die "Bürgerversicherung". Zudem treten sie für ein kostenloses Vorschuljahr ein, für einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung vom ersten Lebensjahr an sowie für ein kostenfreies Erststudium.

FDP: Nein zu Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie. Stattdessen soll das Krankenversicherungssystem - sozial flankiert - privatisiert werden. Jeder muss bei einem Krankenversicherer seiner Wahl einen "Gesundheitsversicherungsschutz" mit gesetzlichen Mindestvorgaben abschließen. Für die Hochschulen soll es eine staatliche Grundfinanzierung geben, außerdem aber Studiengebühren. (APA/dpa)