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DER STANDARD: Sie coachen und beraten hochrangige Manager; welche sind ihre häufigsten Fehler?

Barbara Heitger: Die größten Fehler entstehen, wenn Manager informations- oder Feedback-resistent werden und Entwicklungen nicht wahrhaben und Informationen gar nicht bekommen wollen. Das kommt etwa vor, wenn Vertriebsleute Produkte beim besten Willen nicht verkaufen können, das Topmanagement aber bestimmt, dass die Zahlen trotzdem erreicht werden müssen. Da entsteht ein Teufelskreis der Nichtkommunikation.

DER STANDARD: Es ist doch der Job von Managern, ihre Finger in Wunden zu legen. Versagen sie da öfter als früher?

Heitger: Nein, nur ist es heute so, dass folgenreichere Entscheidungen viel schneller zu treffen sind als früher. Manager müssten sich in der Situation eingestehen, dass sie sich einer Krise nähern. Und dann gälte es auch, die eigenen Strategien und Entscheidungen über Bord zu werfen, und das fällt niemandem leicht. Darum werden in Krisen oft Sanierungsmanager von außen eingesetzt.

DER STANDARD: Ein typisches Beispiel für Wegschauen?

Heitger: In wettbewerbsintensiven Branchen etwa spüren es die Vertriebsleute als Erste, wenn die Nachfrage nachlässt. Sie informieren ihre Chefs, doch die wollen das gar nicht hören und streichen einfach die gemeinsamen Sitzungen mit dem Vertrieb.

DER STANDARD: Gibt es zeittypische Managementfehler ?

Heitger: Das Typische für unsere Zeit ist der illusionistische Optimismus darüber, wie viel Veränderung ein Unternehmen aushalten kann. Ich kenne Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern, in denen 60 Change-Prozesse gleichzeitig laufen.

DER STANDARD: Wie viel geht rein?

Heitger: Veränderungen sind von der zeitlichen Komponente her am erfolgreichsten, wenn man mindestens zwei Jahre Zeit hat, damit sich die Neuerungen verankern können. Oft ist es aber so, dass das Topmanagement schon lange woanders steht als die Mitarbeiter, bei denen die Entscheidung noch gar nicht angekommen ist.

DER STANDARD: Welche Fehlerquellen gibt es bei Mergern?

Heitger: Ein ganz folgenschwerer ist die Abwertung des bisher Geleisteten. Damit erntet man nur den Widerstand der Mitarbeiter. Dazu kommt, dass Manager Wachstum und Downsizing jetzt gleichzeitig betreiben: Man expandiert beispielsweise in den Osten, baut aber auch Mitarbeiter und Kosten ab. Das Problem ist, dass es nur wenige Manager gibt, die beides gleich gut können. Und: Manager unterschätzen völlig, was mit den Leuten passiert, die nach einem Personalabbau im Unternehmen bleiben. Die sind verunsichert, haben ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Ex-Kollegen und sind nicht mehr stolz auf ihr Unternehmen. Betriebe, in denen dieses Survivor-Syndrom auftritt, verlieren überall: bei den Gewinnen genauso wie bei der Kundenzufriedenheit.

DER STANDARD: Leiden Manager unter den Folgen ihrer Fehler?

Heitger: Das ist höchst unterschiedlich. Manche erleiden bei einem Rauswurf oder bei Verlust ihrer Position geradezu einen Schock. Riskant leben Manager, für die ihre Funktion der zentrale Haltegriff ihrer Identität ist: Sie wissen nicht, wer sie ohne Unternehmen sind. In Wahrheit kann das ein ganz guter Weckruf sein, das Lebenskonzept zu erneuern.

DER STANDARD: Bei einem Rauswurf fließt meist sehr viel Geld, die Verträge werden ja üblicherweise ausgezahlt. Verstehen Manager das als Trostpflaster?

Heitger: Finanziell fallen diese Leute meist weich. Aber mehr als das Geld zählt für die meisten ja das Gestalten, diese Lust ist der treibende Faktor in ihrem Leben. Letztlich muss sich ein guter Manager über Dinge hinwegsetzen, er muss Bereiche zusperren, die keinen Gewinn bringen, er muss Leute kündigen. Heute brauchen Manager Aggressionsbereitschaft, sie müssen harte Entscheidungen treffen und ihre Leute trotzdem begeistern und zum Mitmachen bewegen. Viele verlieren ihre Leute aber unterwegs.

DER STANDARD: Welche Manager sind die besten Verlierer?

Heitger: Die, die ihren Humor bewahren und sich aktiv und rechtzeitig Feedback holen.

DER STANDARD: Wie sehen Sie die Rolle der Berater? Wenn die Konzepte von McKinsey & Co nicht aufgehen, sind die Berater längst wieder dahin.

Heitger: Man muss da schon differenzieren. Mit klassischen Unternehmensberatern kauft man sich wichtiges Wissen zu, die Perspektive der Umsetzung kommt aber oft zu spät ins Spiel. Unter diesem Aspekt werden Berater zurecht kritisiert. Letztlich funktioniert das dort so, als bekämen Sie zehn Bücher über Tennisspielen vorgetragen, dann gehen Sie auf den Platz und sollen Wimbledon spielen. Das geht schief.

DER STANDARD: Bei Ihnen läuft es anders?

Heitger : Wir arbeiten einfach anders, wir sind sozusagen Maßschneider. Als systemische Berater bieten wir uns dem Kunden als Sparring-Partner an. Ökonomische Verantwortung tragen aber auch wir nicht. Und das ist auch gut so, so bleiben Erfolg und Misserfolg im Unternehmen. Aber seien Sie beruhigt: Es spricht sich sehr schnell herum, wenn ein Berater Fehler macht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.7.2005)