Die Berichterstattung über den Bombenterror in London zog vergangenen Donnerstag alle Aufmerksamkeit auf sich. Damit erzielte eine an diesem Tag veröffentlichte Stellungnahme des Wiener Kardinals Christoph Schönborn nicht jene Aufmerksamkeit, die dieser Text auf sich ziehen wollte - und die er leider auch verdient.

An diesem Tag erschien sowohl auf der Gastkommentarseite der New York Times wie jener der International Herald Tribune ein Text von Schönborn mit dem viel sagenden Titel "Finding Design in Nature" (NYT) bzw. "... in Evolution" (IHT).

Der Inhalt in aller Kürze (Wortlaut siehe Webtipp): Schönborn behauptet, eine 1996 vom damaligen Papst Johannes Paul II. geäußerte Ansicht, die "Evolution sei mehr als bloß eine Hypothese", sei "ziemlich ungenau und unwichtig" gewesen. Woytlas Äußerung werde von "Verteidigern des neodarwinistischen Dogmas" zu Unrecht als Indiz gewertet, dass die katholische Kirche die Evolutionslehre akzeptiert habe.

Ausführlich zitiert Schönborn dann aus anderen Dokumenten des vorigen Papstes, die er allesamt so darstellt, dass die genaue und wichtige Auffassung der katholischen Kirche in Folgendem bestünde: Alle "Beobachtungen" über die "Entwicklung des Lebens" führten zum selben Schluss. Die Evolution folge einer "internen Finalität", worunter zu verstehen sei, dass diese nicht reduziert werden könne auf "bloßen Zufall und Notwendigkeit".

Diese Klarstellung allein, für die Schönborn auch noch Joseph Ratzinger zitiert, der in seiner ersten Rede als Papst Benedikt XVI. davon gesprochen habe, dass "wir" (Menschen, offenbar) nicht "irgendwelche zufälligen und sinnlosen Produkte der Evolution" seien, mag Mitglieder der katholischen Kirche irritieren, könnte aber allen anderen, vor allem Wissenschaftern, gleichgültig sein, wären da nicht ein paar Kleinigkeiten im Text, die alarmierend sind. Und wäre da nicht wenige Tage später ebenfalls in der New York Times ein Bericht über das Zustandekommen dieses Gastkommentars erschienen.

Wie andere Autoren, die einer Zeitung einen Gastkommentar anbieten, ist auch Christoph Schönborn nicht für die Überschrift(en), mit denen sein Text versehen wurde, verantwortlich zu machen. Das ist Sache der Redaktion, auch wenn das die wenigsten Leser wissen. Doch im Text selbst findet sich die für Eingeweihte verräterische Wendung vom "design" mehrfach wieder. Warum ist das verräterisch?

Religiöse Eiferer

Man erinnere sich daran, dass vor etwas mehr als fünf Jahren gebildete Kreise Europas mit einiger Häme Berichte zur Kenntnis nahmen, dass die Schulbehörde von Kansas die Evolutionslehre aus dem Lehrplan gestrichen hatte (was nach heftigen Kontroversen Anfang 2001 wieder zurückgenommen wurde, Anm. d. Red.). Das war 1999 weniger das Werk verblendeter Hinterwäldler, sondern der erste Sieg einer Gruppe religiöser Eiferer, die meinen, die Vielfalt und Komplexität des Lebendigen nicht anders erklären zu können als durch etwas, was sie "intelligent design" nennen. Das sind dieselben Kreise, die sich dafür stark machen, neben der Evolutionsbiologie, die sie gerne in abfälliger Weise Darwinismus oder Neodarwinismus nennen, der christlichen Schöpfungslehre eine gleichberechtigte Behandlung im Schulunterricht zu sichern.

Schönborns Text wirkt wie ein Echo der Schriften dieser so genannten Kreationisten, wenn er vom "neodarwinistischen Dogma" spricht und damit suggeriert, dass das, was Biologen so von sich geben, auch nicht besser begründet sei als die Verkündigungen der bekanntlich unfehlbaren Päpste.

Der feine, aber entscheidende Unterschied, dass Erkenntnisse der Evolutionsforschung, wiewohl bzw. gerade weil sie wissenschaftlich zustande kommen, durchaus unter Widerlegungsvorbehalt stehen, während Verkündigungen von Päpsten und der von diesen eingesetzten Kommissionen, zu deren Mitgliedern bekanntlich Schönborn gehört, Glaubensauslegungen sind, die nie und nimmer einem Prozess von Versuch und Irrtum unterworfen sind, wird durch eine pseudowissenschaftliche Terminologie, derer sich Kreationisten, Vertreter des "intelligent design" und neuerdings auch der Wiener Kardinal bedienen, verwischt. Ein populärer und weit verbreiteter Relativismus (was ist schon Wahrheit?) arbeitet dem wider besseres Wissen in die Hände.

Schönborn geht noch einen Schritt weiter, wenn er argumentiert, dass "wissenschaftliche Behauptungen", die "Nachweise von design" mit Hinweis auf "Zufall und Notwendigkeit" "hinwegerklären" wollen, "unwissenschaftlich" ("not scientific at all") seien.

Besondere Beachtung verdient nicht zuletzt auch das Zustandekommen des Gastkommentars von Schönborn. In der New York Times einen Text unterzubringen ist kein einfaches Vorhaben. Der Andrang ist gewaltig, und nur ein Bruchteil der angebotenen Texte wird veröffentlicht. Daher schalten Autoren PR-Agenturen und Agenten ein. So auch Schönborn. Doch welche Agentur wurde von ihm beauftragt? Laut New York Times vom Samstag war es eine Firma mit dem hübschen Namen Creative Response Concepts, zu deren Klienten auch das Discovery Institute gehört, das schon 1999 bei der allseits belächelten Entscheidung der Erziehungskommission von Kansas seine Hände im Spiel hatte. Nicht genug damit: Der Vizepräsident dieses fundamentalistischen Think-tanks, Mark Ryland, rühmt sich, laut Times, Vorstandsmitglied des Internationalen Theologischen Instituts für Studien zu Ehe und Familie (ITI) in Gaming zu sein, dessen "Grand Chancellor" zufällig Kardinal Christoph Schönborn ist.

Übertriebene Sorge?

Ungläubige rieben sich vor einigen Monaten staunend die Augen, als sie sehen mussten, dass am Bildungsgipfel nach dem Pisa-Desaster auch Kardinal Schönborn teilnahm. Wird er beim nächsten Mal anregen, das "neodarwinistische Dogma" zugunsten der viel besseren Theorie des "intelligent design" zu eliminieren?

Wer diese Befürchtung für alarmistisch hält, dem sei dringend geraten, folgende Sätze aus Schönborns Times-Gastkommentar noch einmal zu lesen: "Während der ganzen Geschichte hat die Kirche die Wahrheiten des Glaubens verteidigt. In der modernen Zeit sieht sich die katholische Kirche in der Position, auch die Vernunft zu verteidigen, indem sie darauf beharrt, dass in der Natur immanentes Design tatsächlich der Fall ist." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 7. 2005)