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Papst Benedikt XVI. "ermutigte" Kardinal Christoph Schönborn (Bild) zur Abrechnung mit Darwin. Die Evolutionstheorie, die ein Gottes-Design verneine, sei unwissenschaftlich.

Foto: APA/Artinger
Wien - Das Buch entpuppte sich als Renner. Noch am Tag seiner Erscheinung, am 24. November 1859, war Charles Darwins Schrift "Vom Ursprung der Arten durch Mittel der natürlichen Selektion oder die Erhaltung bevorzugter Rassen im Kampf um das Leben" ausverkauft. Heute, 146 Jahre später, ist die Evolutionstheorie im Gegensatz zur Schöpfungstheorie, die an einen Gott als Kreator der Welt glaubt, in der Wissenschaft unumstritten und anerkannt.

Nicht so in einflussreichen Kreisen der katholischen Kirche. Wiens Erzbischof Christoph Schönborn setzte sich in der New York Times vom 7. Juli in einem Kommentar an die Spitze einer Bewegung, die die Evolutionstheorie nicht nur anzweifelt, sondern als unwissenschaftlich ablehnt.

"Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung könnte wahr sein, aber Evolution im neodarwinistischen Sinne - ein ungeleiteter, nicht geplanter Prozess zufälliger Variation und natürlicher Auswahl - ist es nicht. Jedes Denksystem, das die überwältigenden Beweise für einen Plan (design) in der Biologie leugnet oder wegerklären will, ist Ideologie, nicht Wissenschaft", so Schönborn.

Für den österreichischen Kardinal sind, so heißt es in dem mit "Finding Design in Nature" betitelten Text, wissenschaftliche Theorien, die die Existenz eines "Designs" bei der Entstehung des Lebens "wegerklären" wollen, "in keiner Weise wissenschaftlich, sondern ein Abdanken der menschlichen Intelligenz".

In einem Interview mit der New York Times erklärte Schönborn dazu, dass er Papst Benedikt XVI. vor drei Wochen gebeten habe, eine "eindeutigere Stellungnahme" aus Sicht der katholischen Kirche zur Evolutionstheorie verfassen zu dürfen: "Er hat mich ermuntert, dies zu tun."

Die österreichische Genetikerin und Wittgenstein-Preisträgerin Renée Schröder übt - wie amerikanische Wissenschafter - heftige Kritik an Schönborns Position: "Er soll einfach ein bisschen Wissenschaft lernen. Die Evolutionstheorie hat Tatsachen, Beobachtungen, es gibt tausende Beweise, dass es eben so ist. Der Kreationismus ist nicht wissenschaftlich und baut auf Glauben auf. Aber Glauben ist eben nicht Wissen."

Gott als Designer

Schönborn agiere jetzt, sagt Schröder im STANDARD-Gespräch, "gegen die Wissenschaft mit nicht wissenschaftlichen Methoden. Ein Versuch, Gott als Designer darzustellen, klingt halt moderner. Aber damit kann man natürlich weder das eine noch das andere beweisen. Warum gibt es Krankheiten? Warum sollte man so etwas designen? Wenn es so ein Design gegeben hätte, dann muss der Designer schon sehr wählerisch gewesen sein oder sehr unfähig. Die Kirche soll sich da einfach raushalten", meint Renée Schröder.

In den USA nannte der Leiter des Humangenomprojekts, Francis Collings, Schönborns Vorstoß einen "Schritt in die falsche Richtung". Glenn Branch vom US-Zentrum für Wissenschaftserziehung glaubte indes, Schönborns Gedanken so ähnlich schon auf der Homepage des Discovery Institute, welches das Konzept eines "intelligenten Designs" als Alternative zur Evolutionstheorie vertritt, gelesen zu haben. Discovery-Chef Mark Ryland sagte, er kenne Schönborn vom Internationalen Theologischen Institut im niederösterreichischen Gaming, der Text stamme aber vom Kardinal selbst. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 7. 2005)