Berlin - Die deutschen Grünen haben sich gegen eine Spitzenkandidatin neben Außenminister Joschka Fischer (Grüne) im Wahlkampf ausgesprochen. Auf dem Parteitag in Berlin stimmte eine klare Mehrheit der 750 Delegierten gegen einen Antrag, wonach neben Spitzenkandidat Fischer auch eine Frau in einer Doppelspitze für die Grünen im Wahlkampf streiten sollte. In der Begründung des Antrages hatte es geheißen, dies verlangten die "geschlechterpolitischen und basisdemokratischen Grundsätze" der Partei.

In der Debatte hatten sich die grünen Spitzen-Politikerinnen Claudia Roth, Renate Künast und Bärbel Höhn gegen den Vorschlag einer Spitzenkandidatin ausgesprochen. Sie betonten, in diesen besonderen, harten Wahlkampf solle Fischer die Partei führen. "Wir stellen unseren stärksten Mann nach vorne", sagte Künast, dies als mögliche Spitzenkandidatin ins Gespräch gebracht worden war. "Mich müsst ihr nicht neben Joschka Fischer stellen, weil ich dort längst stehe". Mit der Nominierung Fischers sei eine Lokomotive in Gang gebracht worden. "Fangt nicht an, diese Lokomotive aufzuhalten."

Rednerinnen der Gegenseite hatten der Parteispitze vorgeworfen, Fischer ohne Abstimmung mit der Basis am 23. Mai als Spitzenkandidaten nominiert und damit den grünen Grundsatz der Doppelspitze übergangen zu haben. Es gehe bei der Nachnominierung einer Frau nicht darum, Fischer zu schwächen, sondern die Partei im Wahlkampf insbesondere angesichts einer Kanzlerkandidatin bei der Union zu stärken.

Fischer hatte den Delegierten zuvor trotz des hoffnungslos scheinenden Rückstands von Rot-Grün auf Union und FDP in den Umfragen Mut gemacht. "Da ist noch viel Luft. Wir haben noch jede Chance für ein gutes Ergebnis", sagte er. Auch wenn unter der rot-grünen Regierung manche Fehler gemacht worden seien, müsse deutlich werden, "dass wir dieses Land weiter gestalten wollen". Die Grünen könnten auf das Erreichte stolz sein.

Scharfe Attacken richteten Fischer und Parteichefin Roth gegen das neue Linksbündnis aus PDS und WASG und deren Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine. Die Grünen sollten den "linksgetarnten Rechtspopulismus" knallhart konfrontieren. Es gebe bestimmt viele, die dabei "ebenso einen Brechreiz haben wie ich", sagte Fischer. Der SPD hielt er vor, schon zu überlegen, ob sie "in Richtung Große Koalition hinsinken" solle.

Roth warnte mit Blick auf das Linksbündnis vor einer Politik der 1970er Jahre, in der die Umwelt überhaupt nicht mehr vorkomme. Anders als das Linksbündnis verenge ihre Partei "Gerechtigkeit nicht auf Verteilungsgerechtigkeit". Lafontaine nehme einen rechten und europafeindlichen Kurs auf und gehe "mit NPD-Sprüchen im NPD-Sumpf auf Stimmenfang".

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte beim Parteitag, die für September geplante Bundestagswahl werde eine entscheidende Richtungswahl für Deutschland. Hauptgegner der Grünen seien die Konservativen und Liberalen, die unter der Fahne der notwendigen Reformen einen Feldzug organisierten gegen den Maßstab der Gerechtigkeit. "Wir müssen den Menschen die klare Botschaft bringen: Wir (Grüne) stehen für eine Politik der Teilhabe aller."

Die Grünen seien eine Partei, die die Zukunft im Gesamtinteresse Deutschlands gestalten wolle, und nicht wie die FDP eine lockere Allianz von Lobbys. Die Wertorientierung der Grünen könne man in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht als "Luxus, als Kunst am Bau der Wirtschaft", abtun. Das entscheidende Argument laute, dass grüne Werte auch Maßstab zur Wertschöpfung seien: "Wir haben gezeigt, man kann mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben", sagte Bütikofer mit Blick auf moderne Umwelttechnologien. (APA/Reuters)