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Der Londoner Polizeichef Sir Ian Blair.

Foto: APA/Young
Nicht nur für die Anhänger des "Performance"-Gedankens, die Politik und Mediendarbietung als eine Art Eiskunstlauf begreifen, ist er dieser Tage der Held von London. Denn Sir Ian "performt" gut. Londons Polizeichef Sir Ian Blair würde dagegen mit britischer Untertreibung sagen, er versuche nur, seine Arbeit zu tun. Als oberster Ordnungshüter der Millionenstadt überbrachte er den Briten die Hiobsbotschaft von den Terrorschlägen und beruhigt seither mit seiner souveränen Art die Fernsehzuschauer in Pubs und Wohnzimmern: "Die besten Leute in einer Stadt mit vielleicht einer der besten Polizeibehörden der Welt arbeiten an der Aufklärung der Anschläge", versichert er nun immer wieder. Und die Briten glauben dem ernsten Mann in seiner schwarzen Uniform mit dem kleinen Krawattenknoten, die Ordnung verspricht, wo die Londoner soeben das blutige Chaos des Terrors erfahren haben.

Der 52-jährige Chef der "Metropolitan Police", kurz die "Met" oder auch "Scotland Yard", muss nicht einmal sechs Monate im Amt die wohl größte Herausforderung seiner Karriere meistern. Dabei hatte Blair - er ist nicht mit dem Premierminister verwandt, gilt aber gleichwohl als Labour-nah und progressiver Intellektueller - in den ersten Monaten nach seiner Berufung bereits mit erheblichen Widerständen innerhalb der Londoner Polizei wie vonseiten der Boulevardpresse zu kämpfen. Grund dafür war Ian Blairs unerschütterlicher Hang zu politischer Korrektheit. Den 31.000 Beamten der Met hatte er eine Reform an Haupt und Gliedern angekündigt: "Weniger weiß, weniger männlich und moderner."

Dass er noch vergangene Woche einen Prozess vor dem Arbeitsgericht gegen drei Polizisten verlor, die er wegen angeblich rassistischer Bemerkungen gemaßregelt hatte, zeigt die Herkulesaufgabe, die sich der Mann aus Chester in Mittelengland gestellt hat. Blairs Vorgänger John Stevens war weitaus beliebter in den unteren Rängen der Met, wo der Korpsgeist der meist weißen Stadtpolizisten herrscht. Blairs Krisenmanagement nach den Terroranschlägen in der britischen Hauptstadt mag ihm nun vielleicht auch breitere Anerkennung in der eigenen Behörde verschaffen.

Blairs Polizeilaufbahn begann 1974 als "Bobby" im Londoner Stadtteil Soho. Das "interessante Ende einer liberalen Ausbildung", kommentierte er später. Tatsächlich wollte Blair eigentlich Schauspieler werden oder zumindest Arzt, wenn es nach seinem Vater, einem Spediteur, gegangen wäre. Stattdessen führte ihn sein Literaturstudium in Oxford zur Londoner Met und auch zu seiner späteren Frau Felicity, einer Anwältin für Familienrecht, mit der er zwei Kinder hat. Seiner Verdienste in der britischen Polizei wegen wurde Ian Blair 2003 von der Queen geadelt. (DER STANDARD, Printausgabe, 09./10.07.2005)