Seit acht Tagen sind alle Scheinwerfer auf ihn gerichtet, auf diesen von einigen heiß geliebten, von vielen vergessenen Kontinent: Zwei Millionen Menschen strömten zu den "Live 8"-Konzerten, drei Milliarden verfolgten sie via TV; und beim G-8-Gipfel stand die Hilfe für Afrika an erster Stelle. 40 (von insgesamt 350) Milliarden Dollar Schuldenerlass reichten nicht – ein "Marshallplan" müsse laut Tony Blair her: Bis 2015 soll die EU die Entwicklungshilfe auf 120 Milliarden verdoppeln, was 0,7 Prozent des BNP entspräche. Für Österreich bedeutet es eine Verdreifachung auf 1,5 Milliarden Euro.

Nach 40 Jahren Entwicklungshilfe weiß man gemäß IWF jedoch: Weder Entschuldung noch mehr Geld haben sich positiv auf das Wachstum ausgewirkt. Aids, Kriege und Misswirtschaft einerseits, schlechte Infrastruktur, fehlende Ausbildung und Protektionismus andererseits sind die Hauptprobleme. Und die Unterschiede zwischen den 53 afrikanischen Staaten sind groß: von den extrem desolaten Bürgerkriegsregionen wie Sudan und Somalia über stabil wachsende Staaten wie Tansania bis zu "Wunderländern" mit AAA-Rating, niedriger Korruption und guter Bildung wie Botswana.

Differenzierung

So plädierte bereits der frühere Chefvolkswirt der Weltbank und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz für eine stärkere Differenzierung: Wie rasch sich Afrika vom "Kontinent der Verzweiflung" zum "Kontinent der Hoffnung" wandeln wird, hängt von Art der Hilfe und Zuschnitt auf die lokalen Besonderheit ab:

1. Hilfe braucht Struktur und Kooperation: Die Sorge um das "Versickern" von Hilfsgeldern hat zu oft die Apparate der Hilfsorganisationen gefüttert. Um "Parkinson's Law" zu bekämpfen, sollte mit "Just-in-time"-Lieferstrukturen, effektivem Kapitaleinsatz und "lean management" gearbeitet werden. BCGs Pro-Bono-Erfahrung mit dem World Food Programm der UN hat gezeigt, dass allein durch Optimierung von Prozessen und Kapitaleinsatz die Zahl der Hilfsempfänger um 20 Prozent erhöht werden konnte. Enge, direkte Kooperationen funktionieren: In Kap Verde, einem Schwerpunktpartner Österreichs wurden seit 1986 mehr als 60 Millionen Euro hauptsächlich für Bildung und Infrastruktur mit großem Erfolg investiert – der Beweis: Bis 2008 wird Kap Verde in die Gruppe der Staaten mittleren Einkommens aufsteigen.

2. Hilfe braucht Selbsthilfe: Unterstützung auf der Mikroebene hilft. So versucht die österreichische Initiative ICEP, Unternehmen für Entwicklungsprojekte zu begeistern, die Menschen dabei unterstützt, durch eigene Leistung ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In diesem Monat startet eine Kooperation von Telekom Austria mit Microsoft, die Computerkurse für Frauen in Nairobi anbietet – eine Investition in die Zukunft der Menschen, und gleichzeitig eine Markterschließung.

3. Hilfe braucht (Welt-)Handel: Zu den größten Wachstumshindernissen Afrikas zählt der kaum vorhandene Binnenmarkt – er macht gerade einmal zehn Prozent des Handels aus – und die Barrieren der hochsubventionierten EU- und US-Landwirtschaft. Hilfsgüter, die nicht auf die Linderung von Not zielen, haben kontraproduktive Wirkung – Beispiel Textilien: Gegen die aus Kleiderspenden bestückten Billigmärkte können sich die heimischen Schneider so wenig durchsetzen wie die Maisbauern gegen kostenlose Nahrungsmittel. Zu den Forderungen der afrikanischen Ländern gehört daher seit Langem eine Revision der Subventions- und Spendenpraxis zugunsten einer Stärkung der lokalen Wirtschaft und eines freien – fairen – Handels.

Wenn die Karawane der Stars, Politiker und TV-Kameras weitergezogen ist, wird sich zeigen, ob der Schub an Aufmerksamkeit auch die Selbstheilungskräfte des "afrikanischen Patienten" gestärkt hat. Für das Jahrhundertprojekt dieser Generation gilt, was Nelson Mandela vor Kurzem sagte: "Armut zu überwinden, ist keine Geste der Barmherzigkeit, es ist ein Akt der Gerechtigkeit."