Paris - In Frankreich jährt sich Ende Juli der zehnte Jahrestag des Terroranschlages auf die Pariser Metrostation Saint-Michel (acht Tote, über 150 Verletzte). Es war das letzte Islamisten-Attentat auf französischem Territorium.

Der Grund dafür ist wohl weniger politischer als polizeilicher Natur. Nachdem iranische Extremisten das Land ab 1986 mit einer ersten Attentatswelle überzogen, verstärkte Paris die Terrorabwehr DST und den Geheimdienst DGSE und beauftragte den Anti-Terror-Richter Jean-Louis Bruguière mit der Koordination. Er machte sich rasch einen Namen, als er ganze Wagenladungen mit Verdächtigen in den Pariser Justizpalast karren ließ; weniger Schlagzeilen machte, als er alte Kolonialbeziehungen in Maghreb und Mittleren Osten aktivierte und in mühseliger Kleinarbeit ein internationales Informationsnetz aufbaute.

Vorerst trieben noch algerische GIA-Terroristen ihr Unwesen in Frankreich, und die Entführung einer Air-France- Maschine ging 1994 fast ins Auge, als die Terroristen den "11. September" in Paris vorwegnehmen und das Flugzeug in den Eiffelturm jagen wollten. Ein Jahr später kam es zum letzten Attentat. "Das heißt nicht, dass wir alles unter Kontrolle haben", meinte Bruguière dieser Tage bei einem Treffen mit Journalisten.

Ausschließlich legal

Er kenne jedoch heute die Islamistenszene "ziemlich gut". Bedeutet "kennen" so viel wie Infiltration, Rundum- Überwachung und Spitzeldienste? Dazu äußert sich der Richter natürlich nicht. Aber er betont, dass sein Kampf ausschließlich mit legalen Mitteln erfolge. "Legalität und wirksame Bekämpfung sind kein Gegensatz", erklärt er.

Die Islamisten müsse man anders anpacken. Von einem der drei Franzosen, die in Guantánamo inhaftiert waren und den USA offenbar keinerlei Aufschlüsse gaben, erzählt Bruguière: "Wir zwei kennen uns seit Jahren bestens. Ich wusste, in welchen afghanischen Ausbildungslagern er war und wie er in Europa lebte, und wenn er mir bei unseren Gesprächen einen Bären aufzubinden versuchte, konnte ich ihm stets die wirklichen Umstände entgegenhalten. Wir schlagen nie, aber irgendwann merken sie, dass sie keine Chance haben und beginnen zu reden. Dann diskutieren wir und verhandeln – er bittet mich, seine Frau aus dem Spiel zu lassen, und gibt mir dafür ein Detail preis. So kommen wir langsam voran." Zu Bruguières Methoden zählen die klare, auch semantische Trennung von Islamisten und Islam, was in der Polizei nicht immer einfach sei.

Selbst die Bush-Administration anerkennt heute die Erfolge des französischen Terrorjägers, der den Irakkrieg als "Fehler" bezeichnet. Wie die Washington Post diese Woche berichtete, arbeiten der CIA und sein französisches Pendant DGSE in einer Antiterrorstruktur namens "Alliance ^Base" in Paris eng zusammen. (DER STANDARD, Printausgabe, 09.07.2005)