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Miklautsch: "Wenn die Schubhäftlinge merken, dass sie sich durch Hungerstreik nicht freipressen können, werden die meisten den Hungerstreik lassen."

foto: reuters/bader
Standard: Justizwachegewerkschaftsvorsitzender Karl Aichinger kündigt im Standard-Gespräch an, sich "mit Händen und Füßen" gegen die Überweisung hungerstreikender Schubhäftlinge ins Wiener Gefangenenhaus wehren zu wollen. Was sagen Sie dazu?

Miklautsch: Hier überschreitet Aichinger eindeutig seine Kompetenzen. Bei aller Wertschätzung für die Tätigkeit der Justizwachebeamten – es steht ihnen nicht zu, sich dagegen zu wehren, wer in den Justizanstalten sitzt.

Standard: Aichinger bezieht sich auf den jetzt schon bestehenden Überbelag im Wiener Gefangenenhaus. Sehen Sie da im Fall der Überweisung Hungerstreikender kein Problem?

Miklautsch: Ich bin echt verwundert. Immerhin konnten FPÖ und BZÖ seit 2003 bei Budgetverhandlungen für die Gefängnisse mehr Mittel und für die Justizwache um sieben Prozent mehr Personal erstreiten. Außerdem wird ja neuer Haftraum gebaut, etwa in Hirtenberg und in Wien.

Standard: Was schätzen Sie, wie viele Hungerstreikende aus der Schubhaft das Gefangenenhaus in Wien künftig übernehmen wird müssen?

Miklautsch: Ich glaube: viele nicht. Die neue Regelung wird generalpräventiv wirken. Wenn die Schubhäftlinge merken, dass sie sich durch Hungerstreik nicht freipressen können, werden die meisten den Hungerstreik lassen.

Standard: Und wenn nicht – wird es dann in Einzelfällen Zwangsernährung geben?

Miklautsch: Nicht in der Krankenabteilung des Gefangenenhauses – die Betreffenden werden dann in Spitäler gebracht, so wie mit hartnäckig hungerstreikenden Strafgefangenen bisher bereits umgegangen worden ist. In den vergangenen 30 Jahren ist es dort aber zu keiner einzigen Zwangsernährung gekommen.

Standard: Lag das nicht vor allem daran, dass die Ärzte unter Hinweis auf die Erklärung von Malta des Weltärztebundes die Anwendung von Zwangsernährung strikt verweigern?

Miklautsch: Das kann schon sein. Aber Ärzte sind nicht nur an die Erklärung von Malta gebunden, sondern auch an ihren Hypokratischen Eid: Wenn im Zuge eines Hungerstreiks jemand ins Koma fällt, muss ein Arzt ihn behandeln. Ich werde mit dem Ärztebund Gespräche aufnehmen. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2005)