Wien - Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden jährlich weltweit rund 700.000 Frauen und Mädchen verschleppt. Allein in Europa werden jedes Jahr rund 500.000 Frauen Opfer von Menschenhandel. Am schlimmsten betroffen sind Mädchen und Frauen aus Ost- und Südosteuropa. Auch die österreichische Exekutive stellt der Frauenhandel vor wachsende Probleme: Im vergangenen Jahr wurden in Österreich laut Bundeskriminalamt 337 Opfer gezählt. "Mädchen- und Frauenhandel ist ein sehr schmutziges und leider auch sehr lukratives Geschäft", unterstrich Wiens Frauenstadträtin Sonja Wehsely am Donnerstag in einer gemeinsamen Medienkonferenz mit der leitenden Sozialarbeiterin des STD-Ambulatoriums (sexually transmitted diseases) der MA 15, DSA Elisabeth Mayer.

Vorort aktiv werden

Um Frauen- und Mädchenhandel wirksam bekämpfen zu können, müsse man vor allem in den Herkunftsländern den Hebel ansetzen. Es gelte, so Wehsely, Frauen und Mädchen in den gefährdeten Ländern aufzuklären, um sie gegen die falschen Versprechen der Menschenhändler und Schlepper zu immunisieren. Die Stadt Wien startet daher einen Call zu diesem Thema. Gesucht und gefördert werden Projekte zur Bekämpfung von Frauen- und Mädchenhandel in Ost- und Südosteuropa. Insgesamt stehen 100.000 Euro zur Verfügung. Die maximale Förderhöhe pro Projekt beträgt 20.000 Euro.

Lukrativ

Bis zu 15 Milliarden Dollar verdienen Schlepperbanden jährlich mit Menschenhandel, den Großteil davon in Europa, schätzt der Europarat. Laut UNO ist Menschenhandel zusammen mit Schlepperei weltweit bereits die drittwichtigste Einkommensquelle der Organisierten Kriminalität. Betroffen sind – zumindest was Österreich betrifft – zu 99 Prozent Frauen, die vorwiegend zum Zweck der sexuellen Ausbeutung aus Ost- und Südosteuropa in den Westen gelockt werden. Von 337 Opfern, die 2004 in Österreich entdeckt wurden, kamen nach Angaben des Bundeskriminalamtes 129 aus Rumänien, 57 aus Bulgarien, 46 aus Weißrussland und 48 aus Ungarn.

Realitäten

Mit Gewalt verschleppt oder mit falschen Versprechungen gelockt werden die Mädchen und Frauen auf speziellen Schlepperrouten über die Grenzen gebracht und in Folge oft mit mibrutalen Methoden zur Prostitution gezwungen. Einen finanziellen "Lohn" erhalten die Frauen zumeist nicht, da sie noch die Kosten für ihre "Reise" in den Westen, für ein Visum oder eine Unterkunft abarbeiten müssen. Oft werden die Opfer auch drogenabhängig gemacht, um sie gefügig zu halten.

Auch wenn die Zahl internationaler Resolutionen gegen Menschenhandel steigt, ist es der Staatengemeinschaft bislang nicht gelungen, das Problem zu bewältigen. Die Hauptursache des Menschenhandels – die wirtschaftliche Not vieler Frauen in den betroffenen Ländern – wird durch behördliche oder juristische Maßnahmen nicht gelöst. In den allermeisten Fällen sind es von extremer Armut in ihrer Existenz bedrohte Frauen, die für Händler, Schlepper und Zuhälter ein leichtes Opfer sind. Die Bekämpfung des Menschenhandels hängt somit auch eng mit Entwicklungszusammenarbeit zusammen. "Mit dem neuen Call wollen wir daher vor allem Entwicklungsorganisationen zur Ausarbeitung von geeigneten Projekten aufrufen", so Frauenstadträtin Wehsely.

Bayr fordert Ausweitung auf Bundesebene

Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für Entwicklungszusammenarbeit, begrüßte die Initiative von Frauenstadträtin Wehsely: "Diese wichtige Maßnahme der Stadt Wien sollte mit einer dementsprechenden bundesweiten Politik einhergehen", erklärte Bayr in einer Aussendung. "Wir müssen versuchen, das Problem an seiner Wurzel zu bekämpfen und aus den Mitteln, die wir für die Ostzusammenarbeit bereitstellen, Projekte finanzieren, die Aufklärungsarbeit für junge Frauen und Mädchen im Osten leisten!"

Die Ostzusammenarbeit Österreichs könne nicht einfach auf wirtschaftliche Kooperation beschränkt werden, denn "die größte Wachstumsbranche heißt dort heute eindeutig 'Menschenhandel', der bereits die lukrativen Drogen- und Waffengeschäfte überflügelt hat, weil Frauen mehrmals verkaufbar sind!", so Bayr abschließend.

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Details zum Call

Mit der aktuellen Ausschreibung lädt die Stadt Wien Entwicklungsorganisationen und gemeinnützige Einrichtungen, die Erfahrung mit Projekten zur Bekämpfung des Frauenhandels haben sowie Organisationen oder Institutionen in den betreffenden Ländern, die über geeignete Kapazitäten verfügen, ein, Projektvorschläge für die Zuerkennung von Subventionen im Rahmen der Auslandshilfe einzureichen.

Eingereichte Projekte können mit maximal 20.000 Euro gefördert werden. Die Laufzeit der Projekte muss zwischen einem und fünf Jahre betragen. Einreichungen von Projektvorschlägen sind unter Einhaltung der formalen und inhaltlichen Vorgaben bis 30. September 2005, 15.30 Uhr bei der Magistratsdirektion der Stadt Wien – Geschäftsbereich Auslandsbeziehungen, 1082 Wien, Friedrich Schmidt Platz 3, E-Mail möglich. (red)