Jody Reynolds
Endless Sleep

(Buffalo)

Foto: Buffalo

Was ist von einem Lied zu erwarten, das mit folgender Zeile beginnt: "The night was black, rain falling down"? Hier steht eine handfeste Katastrophe an, ein Unfall, ein Verbrechen vielleicht. In dieser schwarzen Nacht also stellt der Erzähler fest, dass seine Freundin, "sein Baby", verschwunden ist. Zum Glück hat sie Fußabdrücke hinterlassen; sie weisen zum Meer. Der Erzähler rennt runter zum Strand, dort spricht das Meer zu ihm, es gesteht: "Ich nahm dir dein Baby!" Dann plötzlich taucht eine zweite Stimme auf, sie gehört der Verschwundenen: "Komm rein zu mir", lockt sie, "komm in meinen endlosen Schlaf." Der Erzähler macht sich noch kurz Vorwürfe, dann geht er ins Wasser.

Wird er die Geliebte retten? Oder lohnt es sich, für die Liebe zu sterben? Diese Frage hat die Kunst immer beschäftigt. Ende der Fünfziger entdeckte der Rock'n'Roll den Zusammenhang zwischen Liebe und Selbstzerstörung, es entstand das Genre der "Dead Teen Songs". Diese Lieder verhandelten die Möglichkeit, durch freiwilligen Tod die Liebe in ihrer Reinheit zu erhalten. Dass er keinen Grund hat zum Sterben, erkennt auch der Erzähler. Im letzten Moment stiehlt er dem Meer seine Geliebte. Sie leben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.7.2005)