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Horst Köhler

Foto: REUTERS/CHRISTIAN CHARISIUS
Zu Beginn der Woche konnte sich Edmund Stoiber einfach nicht mehr beherrschen. Eine "Katastrophe" wäre es, würde Bundespräsident Horst Köhler den Weg zu Neuwahlen nicht freimachen, beschied der bayerische Ministerpräsident. So wie Stoiber denken die meisten Politiker in Deutschland. Allerdings sind sie etwas zurückhaltender als der CSU-Chef. Kanzler Gerhard Schröder etwa will sich zur Causa prima der deutschen Politik überhaupt nicht mehr äußern.

Aber natürlich dreht sich in Berlin alles nur noch um diese eine Frage: Tut er's oder tut er's nicht? Macht Köhler also nach Schröders absichtlich verlorener Vertrauensfrage den Weg für Neuwahlen am 18. September frei? Oder überwiegen doch die verfassungsrechtlichen Bedenken? Zwei Wochen lang hat er für seine Entscheidung noch Zeit.

Der Druck auf das Staatsoberhaupt ist gewaltig. Nicht nur die SPD und zwei Drittel der Deutschen wollen eine Neuwahl. CDU, CSU und FDP sind ebenfalls ganz wild darauf - stehen die Chancen für einen Machtwechsel doch günstig wie selten zuvor. Hallen für Parteitage sind gebucht, Wahlprogramme liegen schon vor oder sind kurz vor Vollendung - ganz so, als wäre Köhlers Ja schon gewiss.

Doch für ihn ist der politische Wunsch nicht ausschlaggebend. Köhler muss die verfassungsrechtlichen Aspekte prüfen, was einem Drahtseilakt gleicht. Die Meinung unter den Verfassungsrechtlern ist geteilt. Schröders Begründung, er könne sich nicht mehr auf das "stetige Vertrauen" des Bundestags verlassen, rechtfertige die Auflösung des Parlaments, sagen die einen. Die anderen behaupten das Gegenteil.

Gibt Köhler grünes Licht für vorgezogene Wahlen, will der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz vor das Verfassungsgericht ziehen. Sollte ihm das Höchstgericht in Karlsruhe Recht geben, wäre das eine Riesenblamage für Köhler. Er müsste sich in diesem Fall zweierlei Vorwürfe gefallen lassen. Erstens: Der Bundespräsident, Hüter der Verfassung, kann mit selbiger nicht umgehen. Zweitens: Er nimmt einen Verfassungsbruch in Kauf, weil er Angela Merkel die Rutsche ins Kanzleramt legen will. Sein Amt - das wissen alle in Berlin - verdankt er allein der CDU-Vorsitzenden. In seinen politischen An- und Aussagen ("Vorfahrt für Arbeit") hat Köhler schon mehrmals deutliche Nähe zur CDU erkennen lassen - sehr zum Missfallen von SPD und Grünen, die ihm mangelnde Überparteilichkeit vorwerfen. Das Verhältnis Köhlers zu Schröder gilt hingegen höchstens als "korrekt".

Als "sauberste Lösung" wird in Berlin daher folgende Lösung angesehen: Köhler löst den Bundestag nicht auf, empfiehlt ihm aber die Verfassung so zu ändern, dass künftig eine Selbstauflösung des Hohen Hauses möglich ist. (DER STANDARD, Print, 7.7.2005)