Zwei scharfe, völlig gerechtfertigte Angriffe sind in den letzten Tagen gegen Peter Handkes unsägliches Essay zum Milosevic-Prozeß erschienen: von Hans Rauscher im STANDARD und vom großen serbischen Schriftsteller Bora Cosic in der Presse.

Dass Handke ein Narziss ist, weiß jeder, der seine Laufbahn und die Kontroversen rund um seine, das serbische Kriegsverbrechen relativierenden, ja verharmlosenden Schriften seit 1996 verfolgt. Schon damals (Gerechtigkeit für Serbien) behandelte er mit verächtlicher Herablassung die Slowenen und die Kroaten, die sich "launenhaft, eilfertig und trotzig- dünkelhaft" von einem "trotz allem wohlbegründeten Jugoslawien" losgesagt hätten, ja sich "den Zerfall ihres Staates von außen einreden" hätten lassen. Die Gründe für seinen Weg von nostalgischem Jugoslawien-Illusionismus zu den jüngsten Desinformationen über das Srebrenica-Massaker, das Haager Kriegsverbrechertribunal usw., dargelegt auf 20 Seiten in der Titelgeschichte der Zeitschrift Literaturen, sind unerheblich. Die Fakten etwa über die Hinrichtung von fast 8000 muslimischen Männern durch serbische Soldaten 1995 waren allgemein bekannt, bereits vor dem Auftauchen der letzten empörenden Videos.

Was uns aber zusätzlich beschäftigen muss, ist die hemmungslose Journalistenschelte, die sozusagen als Begleitmusik zu Handkes Texten und Interviews dient. Die Antwort auf die Kritiker seiner "poetischen Erfahrungen" ist eine pauschale Beschimpfung: Die Reaktionen seien eine "gesteigerte Form der Pornographie", und diese Kritiker verdienen "nicht einmal den Namen Journalist".

Im Szenemagazin News (seinem bevorzugten Sprachrohr in Wien) geht der beleidigte Handke vor allem mit der "so genannten" Qualitätspresse ins Gericht: "Das sind schlechte Leute, ästhetisch, moralisch, human. Schlechte Leute und schlechte Journalisten, das gehört ja alles zusammen. Sie machen ihren Beruf schlecht, sie machen ihr Leben schlecht, sie machen die Wörter schlecht, sie machen die Luft schlecht."

Diese Luft- und Sprachverpester findet der erboste Handke "überall", vom Madrider El Pais bis zur Pariser Libération. Doch das "Schlimmste" ist die FAZ und ihr namentlich nicht genannter, doch mehrmals erwähnter Jugoslawienkorrespondent. Es handelt sich um Matthias Rüb, derzeit in Washington, der acht Jahre lang, 1994 bis 2002, Korrespondent im Balkan war und seine Erfahrungen nicht nur in glänzenden und keineswegs einseitigen Reportagen, sondern auch in zwei viel beachteten Büchern, Balkantransit (1998) und Kosovo – Ursache und Folge eines Krieges in Europa (1999), beschrieben hat.

Handkes unter dem Titel Straf-Gericht in News wiedergegebenen Hassausbrüche übertreffen in Stil und Lautstärke die Schimpfkanonaden rechts- oder linksextremer Politiker.

Dabei stellt kein ernst zu nehmender Balkankorrespondent aus Hamburg oder Wien, London oder Paris etwa die Serben pauschal als Aggressoren und Kriegsverbrecher hin. Unbestechliche Publizisten oder Reporter wie Renate Flottau im Spiegel, Bernhard Küppers in der Süddeutschen und Misha Glenny vom Guardian sowie die mutigen kroatischen Autorinnen Slavenka Drakuli´c und Dubravka Ugresi´c haben von Anfang an auch stets die verbrecherischen Handlungen kroatischer oder bosnisch-muslimischer Soldaten beschrieben. Ebenso haben diese herausragenden Berichterstatter die Entstehungsgeschichte der jugoslawischen Tragödie unvoreingenommen geschildert.

Die Gegenüberstellung Handkes – hier "Weltwahrnehmung", dort "geballte journalistische Meinungsmacht" – ist also mehr als lächerlich. Sie ist zutiefst irreführend, ja gefährlich. (DER STANDARD, Print, 7.7.2005)