Wenn Objekte nicht jene Schatten werfen, die sie werfen sollten, stecken Hightech und Kyoko Kunoh, Motoshi Chikamori und minim++ aus Japan dahinter.

Foto: Ars Electronica

John Gerrards "Watchful Portrait (Caroline)" vereint virtuelle und greifbare Welten.

Foto: Ars Electronica
In Kooperation mit der Ars Electronica wurden einige Höhepunkte des Linzer Festivals noch einmal installiert.


Vorweg: Jene Automaten, an denen man nach Einwurf einer hochwertigen Münze unter geschickter Zuhilfenahme eines Kranarmes zu einem Plüschtier gelangen kann, prägen in Taiwan, wenn schon nicht die Stadtbilder, so allenfalls die Bilder der stadtbildprägenden Spielhallen.

Und: Im Gegensatz zu Österreich, wo die Kranarme fast ausschließlich von Kinderarmen gelenkt werden, während die Fäuste der bezahlenden Väter ein weiteres Krügel Bier stemmen, finden sich in Taiwan oft ansehnlich ausgewachsen Männer auf Teddyjagd.

Das sind vielleicht jene Männer, die auch die allerorts präsenten, kindersicher in Plastikfolie eingeschweißten Magazine lesen, welche die Schamgrenze einer durchschnittlichen europäischen Tageszeitung um Längen unterschreiten. "Ab 18" wird in Taiwan eingestuft, was sich "oben ohne" präsentiert - wobei Brustwarzen oder gar noch Intimeres großflächig zugepixelt, also zensuriert werden.

Die Erotik Taiwans zeigt sich sublim, kommt im Sprachlichen, bzw. in Merchandisingprodukten zum Höhepunkt. Die Schau aus dem Besten der letzten 25 Jahre des Linzer Medienkunstfestivals Ars Electronica heißt Climax - The Highlight of Ars Electronica. Und ihre Maskottchen sind Plüschtiere (männlich das blaue, weiblich das in pink gehaltene), in deren Körperöffnungen man Handys so derart fest stecken kann, dass sie aufrecht am Arbeitsplatz zum Stehen kommen. Natürlich sind die Maskottchen aus einem völlig irren, weil komplett Schmutz und Flüssigkeiten abwehrenden Material. Aus ebendem sind auch die blauen oder rosafarbenen Unterhosen mit dem Climax-Logo, deren Vertrieb die Schau anteilig mitfinanzieren soll.

Kreative Zukunft

Ansonsten ist die Präsentation in Taichung zu 100 Prozent von taiwanischer Seite finanziert. Neben dem Nationalmuseum beteiligen sich noch die Unison Art Association und das ITRI Creativity Lab. Das Nationalmuseum Taiwans wurde erst 2004 nach Renovierungsarbeiten wieder eröffnet. Hat man sich bislang hauptsächlich der historischen Entwicklung "klassisch" taiwanischer Kunst gewidmet, soll künftig verstärkt Medienkunst gefördert und vermittelt werden.

Ein für Taiwan relativ neues Terrain: Eines der Mutterländer digitaler Massenkommunikation hat bisher kaum Anwendungsgebiete für seine neuen Technologien jenseits von Kommerz oder Grafikdesign gesehen.

25 Jahre Ars

Die Höhepunkte aus einem Vierteljahrhundert Ars Electronica sollen nun als Initialzünder das neue Spielfeld erschließen. Die Vernissage zur Schau jedenfalls war ungemein gut besucht, und das nach Generationen und Berufen breit gestreute Publikum zeigte sich völlig unbefangen und neugierig.

Die im Westen tradierte Distanz des Betrachters, die Scheu vor dem öffentlichen Einstieg in oft abenteuerlich interaktive Installationen, scheint unbekannt. So wie sämtliche Lounges für Animationsfilm oder digitale Musik dicht besiedelt waren, so wurden Angebote zur Interaktion angenommen, wie Fahrgeschäfte am Rummelplatz.

Als absolutes Highlight in der Publikumsgunst erwies sich dabei die Inter-Dis-Communication Machine der Japanerin Kazuhiko Hachiya, die bei ihrer Präsentation in Linz 1996 mit einer "Honorary Mention" ausgezeichnet wurde. Und die funktioniert so: Jeweils ein Akteur schlüpft in das Kostüm eines weißen bzw. schwarzen Engels.

Vermittels Videotechnik tauschen die beiden ihre Gesichtsfelder, d. h. der weiße Engel sieht, was das (Kamera-) Auge des schwarzen wahrnimmt, und umgekehrt. Derart irritiert, müssen die beiden nun versuchen, einander auf einem kreisrunden Feld im Yin/Yang-Design zu finden - zum Gaudium sowohl der Akteure, wie auch der Zuschauer. Ebenfalls Begeisterung vermochte John Gerrards Watchful Porträt auszulösen. (Die Arbeit wurde 2004 während eines Aufenthaltes von Gerrard als Siemens-Artist-in-Residence am Ars Futurelab in Linz produziert). Die als 3-D-Modell porträtierte Caroline sitzt nicht starr auf der Leinwand (dem Monitor) fest. Sie folgt, unbeirrt von der Position ihres Rahmens, bei Tag dem Lauf der Sonne, bei Nacht jenem des Mondes. Ganz so wie einst Janus, der doppelgesichtige römische Gott von Tag und Nacht.

Wie sehr die Besucher auch versuchen, Caroline durch Manipulation am drehbaren Monitor von ihrer Konzentration abzubringen, es hilft nichts - wer den Bildschirm schwenkt sieht anstatt ihres Gesichtes dann eben ihr Hinterhaupt. Gerrards Arbeit hat nicht nur die Besucher in Taiwan begeistert. Der Wiener Galerist Ernst Hilger konnte die Arbeit anlässlich der Art Basel an zwei wichtige internationale Sammlungen verkaufen. Gerrard verknüpft - markttechnisch geschickt - die Erkenntnisse und technischen Errungenschaften des Weges der Kunst vom Tafelbild in virtuelle Welten, mit der Sehnsucht des Sammlers nach dem fassbaren Objekt. Er stattet den virtuellen Raum mit einer dinghaften Qualität und damit dem Charakter von Ware aus. Und eröffnet sich und seinen Händlern damit die Chance, von Porträtaufträgen zu profitieren.

Looking Forward to a New Era of Creativity in Taiwan betitelt Wen-Jean Hsueh, Generaldirektor des Creativity Lab am Industrial Technology Research Institute in Taiwan sein Vorwort zur Schau. Mit Typen wie John Gerrard könnte das zum Geschäft werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 06.07.2005)