Rom - Ein Militärrichter in der norditalienischen Stadt La Spezia hat am Dienstag ein Verfahren gegen zwei ehemalige SS-Soldaten eingeleitet, die in Deutschland leben. Die beiden Deutschen, Alfred Piepenschneider (84) und Franz Stockunger (79), sollen am Massaker in der kleinen Apenninen-Gemeinde Marzabotto beteiligt gewesen sein. Die mögliche Verantwortung von weiteren zwölf Verdächtigen wird überprüft. Ein Militärgericht wird am 1. Dezember darüber entscheiden, ob ein Verfahren gegen die Ex-SS-Soldaten beginnen soll.

Vom 29. September bis 5. Oktober 1944 waren in Marzabotto und in den benachbarten Ortschaften Grizzana und Monzuno 955 unbeteiligte Einwohner von SS- und Wehrmachtsangehörigen exekutiert worden. Der aus Österreich stammende SS-Obersturmbannführer Walter Reder hatte damals angeordnet, Zivilisten als Vergeltung für einen Partisanen-Angriff ermorden zu lassen. Die Urheber des Massakers blieben mit einer Ausnahme bisher unbehelligt. Nur Reder wurde von einem Militärgericht in Bologna 1951 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde 1985 freigelassen.

Auslieferung

Der Kriegsverbrecher Reder war 1948 von der damaligen britischen Besatzungsmacht in der Steiermark ausgeforscht und an Italien ausgeliefert worden. Für die Freilassung Reders hatten sich unter anderem die österreichische Regierung und die Katholische Kirche eingesetzt, während die Hinterbliebenen der Opfer dagegen protestierten. Als der damalige österreichische Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager (damals FPÖ) Reder nach seiner Freilassung mit einem Handschlag begrüßte, löste dies eine Welle der Empörung aus. Reder starb 1991 75-jährig in einem Krankenhaus in Wien.

Im Prozess um ein weiteres Nazi-Massaker in Italien hatte das Militärgericht in La Spezia am 22. Juni zehn ehemalige deutsche SS-Soldaten in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Bei dem Verfahren ging es um die Ermordung von 560 Zivilisten im August 1944 in der toskanischen Gemeinde Sant'Anna di Stazzema. (APA)