Bild nicht mehr verfügbar.

Archivfoto aus dem Jahr 1981: Präsident Ronald Reagan mit der frisch gebackenen Höchstrichterin Sandra Day O'Connor - der ersten Frau in der Geschichte des Supreme Court.

Foto: AP

Bild nicht mehr verfügbar.

Alberto Gonzales ist ein möglicher Kandidat - doch gegen ihn formiert sich starker Widerstand.

Foto: APA /epa/
Nach dem Rücktritt der Höchstrichterin Sandra Day O'Connor machen in den USA Liberale und Konservative mobil. Die Nachbesetzung des Postens wird die gesellschaftspolitische Ausrichtung des Landes bestimmen.

***

Der Rücktritt der 75-jährigen Obersten Richterin Sandra Day O'Connor am vergangenen Freitag kam auch für das Weiße Haus überraschend: Dort hatte man sich bereits seit längerer Zeit auf das Ausscheiden des Chefs des Supreme Court, dem schwer krebskranken William Rehnquist, vorbereitet, um den konservativen Chief Justice durch einen anderen Konservativen zu ersetzen. Die von Präsident Ronald Reagan 1981 als erste Frau in den Obersten Gerichtshof berufene O'Connor hat in ihren 24 Amtsjahren in dem neunköpfigen Gericht sehr oft als Zünglein an der Waage fungiert und immer sehr eigenständig agiert.

Sozial links

Manchmal hielt sie sich an den rechten Flügel, etwa im Dezember 2000, als sie die entscheidende Stimme zur Beendigung der Stimmenauszählung in Florida abgab und George W. Bush damit den Wahlsieg bescherte. In sozialen Belangen hielt sie es jedoch oft mit der linken Hälfte des Gerichts: 1992 verhinderte sie, dass die umstrittene Entscheidung Roe v. Wade, die die Abtreibung ermöglicht, drastisch eingeschränkt wurde, und in den letzten Jahren machte sie sich für eine bessere Rechtsstellung der Homosexuellen stark.

Präsident Bush lobte die scheidende Richterin in höchsten Tönen und versprach, einen neuen Richter so "zeitgerecht" zu ernennen, dass dieser bereits am 3. Oktober, wenn die "Supremes" nach der Sommerpause wieder zusammentreten, sein Amt antreten könne. Mit einem Seitenhieb auf den zu erwartenden Widerstand der Demokraten im Senat betonte er jedoch, er wünsche seinem Kandidaten eine "faire Behandlung, ein faires Hearing und eine faire Abstimmung".

Äußerst entschlossen

Sowohl Liberale als auch Konservative wollen den bevorstehenden Kampf mit äußerster Entschlossenheit führen. Das werde die "Mutter aller Bestätigungsschlachten", meinte etwa der CNN-Reporter Ed Henry. Der republikanische Exsenator Alan Simpson glaubt, dass die heißen Hearings über den umstrittenen Robert Bork, der nicht bestätigt wurde, und den heftig angefochtenen Clarence Thomas, der es in den Gerichtshof schaffte, gegen den bevorstehenden Kampf wie ein Kinderspiel wirken würden.

Die Demokraten erinnern den Präsidenten des öfteren daran, dass sich sein Vorgänger Bill Clinton bei den zwei Richtern, die er nominierte, lange um einen Konsens mit dem Kongress bemühte. Bush hat pro forma die Fühler ausgestreckt und einige Anrufe mit Senatoren, darunter auch Demokraten, geführt. Niemand erwartet jedoch, dass er sich wesentlich von deren Vorschlägen beeinflussen lassen wird. Denn prominente Mitglieder einflussreicher konservativer und religiöser Gruppen, die meinen, sie hätten ihm eine zweite Amtszeit verschafft, pochen nun auf ihr Recht: Sie wünschen einen erzkonservativen Kandidaten, der konsequent ihre Vorstellungen vertritt.

Die zukünftigen Entscheidungen des Supreme Court könnten die gesellschaftspolitische Stimmung im Land auf Jahre hinaus bestimmen. Es wird mit einiger Sicherheit erwartet, dass die Themen Abtreibung und Homosexuellenrechte wieder aufs Tapet kommen. 65 Prozent der Amerikaner sind zwar der Ansicht, dass Roe v. Wade beibehalten werden soll; doch 41 Prozent wünschen sich einen konservativeren neuen Richter.

Wunschkandidat

Da mit einiger Sicherheit anzunehmen ist, dass der schwer kranke Chief Justice Rehnquist noch während der Amtszeit von Bush zurücktreten wird, könnte dieser mit der Nominierung seines angeblichen Wunschkandidaten, Justizminister Alberto Gonzales, zunächst noch zuwarten. Andere Beobachter meinen dagegen, dass Bush schon jetzt Gonzales nominieren wird. Damit würde er allerdings viele christliche Konservative verärgern, die Gonzales für zu liberal halten und jetzt schon heftig gegen ihn mobil machen. Eines ist sicher: Wer immer der Kandidat ist, den Politikern und Medien steht in jedem Fall ein langer und heißer Sommer bevor. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.7.2005)