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Bühnenaufbau im Hyde Park in London

Foto: AP /Lefteris Pitarakis

Viel mehr als ein Teilerfolg wird es wohl nicht werden. Selbst wenn die G-8-Staaten der Forderung der Initiatoren von Live 8 nachkommen, den Ländern Afrikas ihre Schulden erlassen und Live 8 diesen Schritt für sich reklamieren würde – die laut Expertmeinungen viel gravierenderen Probleme wie Aids und Klimaschutz stehen nicht einmal auf der Forderungsliste der Veranstalter.

Dabei würde Aids – so Starökonom Jeffrey Sachs – die junge, arbeitsfähige afrikanische Generation hinwegraffen und so die Volkswirtschaft nachhaltiger schädigen, als es die Schuldenberge tun.

Bob Geldof, der Don Quichotte des Pop, dessen Windmühlgegner die Armut der Welt ist, die er mit der Lanze Popmusik und seinem Sancho Pansa, Bono Vox von U 2, bekämpft, könnte mit seinen Mitstreitern also unfreiwillig den Feigenblattlieferanten für die größten Industrienationen spielen. Nämlich dann, wenn diese medienwirksam das verhältnismäßig kleinere Übel erledigen würden, während sie sich den wirklich großen Problembrocken immer noch nicht richtig stellen.

Schwarze Feigenblätter

Mit Feigenblättern kennt sich Geldof aus. Im Vorfeld von Live 8 sah er sich nach Rassismusvorwürfen doch noch dazu veranlasst, abseits der großen, weltweit übertragenen Konzerte in London, Philadelphia oder Tokio, ein weiteres in Cornwall zu unterstützen.

Dieses initiierten Peter Gabriel und Damon Albarn von der englischen Band Blur, weil Geldofs Spektakel zwar ein paar schwarze Künstler aus den USA, der Karibik und England, nicht jedoch aus Afrika selbst berücksichtigt hatte. Diese würden leider nicht genug Quote bringen, wurde man aufgeklärt.

Der BBC-Radio-DJ Andy Kershaw, 1985 noch ein engagierter Mitarbeiter Geldofs bei Live Aid, warf diesem deshalb "Arroganz und Unkenntnis" vor: Geldof und Bono seien große Vereinfacher, für die Afrika als Metapher für Armut und Almosenempfänger herhalte, ohne dass differenziert würde. Ihr Antrieb sei "neo-kolonialistisch" und von persönlicher Profilierungssucht getragen.

Wie viel Live 8 tatsächlich bringt – man weiß es nicht. Spendengelder werden bei den Veranstaltungen jedenfalls nicht gesammelt. Man baut auf Sensibilisierung gegenüber dem Thema und hofft, durch globale Berichterstattung Druck auf die Großen Acht ausüben zu können. Immerhin musste sich Geldof schon in den 80ern den Vorwurf gefallen lassen, mit den damals für Äthiopien lukrierten Millionen nicht nur das Gute unterstützt zu haben.

Wie der New Yorker Autor und Politologe David Rieff feststellt, wurde damals mit denselben Geldern die brutale Umsiedlungspolitik des bis 1991 regierenden Regimes von Mengistu Haile Mariam unterstützt. Heute weiß man, dass dessen Vertreibungsmaßnahmen über 100.000 Menschenleben gekostet haben. Wirklich profitieren werden auf jeden Fall die mitwirkenden Künstler – zumindest die, die Geldof auf Sendung gehen lässt. Schon 1985 schossen die Verkaufszahlen der damals beteiligten Musiker nach dem Event in höchste Höhen. Einen werbeträchtigeren Rahmen könnten sich etwa Pink Floyd für ihre Reunion also kaum wünschen.

Überspitzt könnte man sagen, dass hier ein paar Reiche noch reicher werden, während die Armen dabei zuschauen dürfen – eine gute Sache, so eine gute Sache. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.7.2005)