Norbert Darabos ist Bundesgeschäftsführer der SPÖ. Er war SP-Chefverhandler bei der Einigung mit der Regierung zum Zivildienst und zu den neuen Asylregelungen.

Ludwig Dvorak ist Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJÖ)

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derStandard.at: Die Beschlüsse der SPÖ zum Asylgesetz und zum Zivildienst haben auch für parteiinterne Kritik gesorgt. Steht die Mehrheit der SPÖ dahinter?

Darabos: Ich bin überzeugt davon, dass die Mehrheit der SPÖ-Funktionäre, aber vor allem die große Mehrheit der Bevölkerung dahinter steht, ein Asylgesetz zu beschließen, durch das die Asylverfahren beschleunigt werden, Verfolgte Schutz finden und Missbrauch, den es leider auch gibt, eingedämmt wird.

Dvorak: Das ist schwer zu beantworten, da es darüber innerhalb der Partei keine ausreichende Diskussion gegeben hat. In vielen Teilen der Partei herrscht aber Unzufriedenheit, weil das Gefühl aufkommt, dass die ÖVP-Modelle weitgehend übernommen und das eigene Modell seitens der Regierungsparteien ignoriert wurde.

derStandard.at: Kommt nun die Möglichkeit zur Zwangsernährung von hungerstreikenden Asylwerbern oder nicht?

Darabos: In Österreich können nur Strafgefangene zwangsernährt werden. Selbst das ist seit 27 Jahren nicht mehr vorgekommen. Im ursprünglichen Entwurf zum neuen Gesetz war vorgesehen, dass Schubhäftlinge mit Strafhäftlingen in diesem Punkt gleich gestellt werden. Die SPÖ hat das verhindert. Laut Strafgesetzbuch macht sich jeder strafbar, der einen Menschen in Österreich ohne seine Einwilligung ernährt.

Dvorak: Nach der gestrigen Fassung des Abänderungsantrages war die Formulierung sehr dehnbar. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass dies mittlerweile geändert wurde.

derStandard.at: Was verstehen Sie unter "Heilbehandlung"?

Darabos: Im Strafvollzugsgesetz wird er folgendermaßen definiert: Heilbehandlung: ärztliche Hilfe, Zahnbehandlung, Beistellung von Heilmitteln und Heilbehelfen, Pflege in Kranken-, Kur- und sonstigen Anstalten. Im neuen Asylgesetz findet man den Begriff "Heilbehandlung" allerdings nicht.

Dvorak: Ein Indiz dafür, dass es eine Suche nach besser klingenden Begriffen gibt.

derStandard.at: Gibt es noch Chancen, dass der Zivildienst doch auf 6 Monate verkürzt wird, wie die SPÖ ursprünglich gefordert hat?

Darabos: Die SPÖ wird sich weiterhin für die Verkürzung des Zivildienstes auf 6 Monate einsetzen. Hätten wir aber der Verkürzung auf 9 Monaten jetzt nicht zugestimmt, wäre die Dauer des Zivildienstes bei 12 Monaten geblieben, weil es sich hier um eine Verfassungsbestimmung handelt, die nur von SPÖ und ÖVP gemeinsam aufgehoben werden kann. Jeder wird wohl zustimmen, dass 9 Monate vorerst besser sind als 12. Die SPÖ wird aber weiter dafür kämpfen, dass auch die ÖVP ihre Blockade gegen die endgültige Gleichstellung von Wehr- und Zivildienst aufgibt. Sobald das der Fall ist, wird die Dauer von 6 Monaten für den Zivildienst sofort beschlossen.

Dvorak: Wenn jetzt im Nationalrat die Abschaffung der derzeit notwendigen 2/3-Mehrheit für die Zivildienstgesetzgebung beschlossen wird. Ansonsten ist zu erwarten, dass die ÖVP in Zukunft alle SPÖ-Reformversuche betreffend der Zivildienstdauer blockieren wird.

derStandard.at: Der Menschenrechtssprecher der SPÖ will beim Asylgesetz im Parlament nicht mitstimmen. Könnten auch noch andere Abgeordnete abspringen? Wie könnte/n diese/r wieder ins Boot geholt werden?

Darabos: Ich akzeptiere und respektiere die Meinung des SPÖ-Menschenrechtssprechers, kann sie aber nicht teilen, weil er - meiner Ansicht nach - von falschen Voraussetzungen ausgeht. Alle anderen Abgeordneten werden Für und Wider abwägen und schließlich hoffentlich zustimmen, dass die SPÖ in den Verhandlungen dem neuen Gesetz die Giftzähne wie Zwangsernährung oder Endlosschubhaft gezogen hat.

Dvorak: Es ist nicht meine Aufgabe, die Nationalratsabgeordneten ins Boot zu holen. Ein neuerliches Aufrollen der Diskussion innerhalb der Partei stellt aber eine Möglichkeit dar, hier Konsens zu finden.

derStandard.at: Grünen-Chef Van der Bellen meint, die SPÖ sei offenbar bereit, Grundsätze über Bord zu werfen. Ist sie das?

Darabos: Nein. Ich bin der Ansicht, wir haben hier ein menschenrechtskonformes Asylgesetzbeschlossen mit dem die Asylverfahren beschleunigt werden und der Schutz für tatsächlich Verfolgte im Vordergrund steht. Van der Bellen sollte sich eher selber fragen, wo die Grundsätze der Grünen bei der von ihm kürzlich angedachten Akzeptanz der Studiengebühren und der Eurofighter geblieben sind.

Dvorak: Van der Bellen weiß, wovon er spricht. Er selbst hat ja jüngst die grünen Forderungen nach Abschaffung der Studiengebühren und Ausstieg aus dem Eurofighter-Kaufvertrag einer eventuellen Koalition mit der ÖVP geopfert.

derStandard.at: Sind die Chancen auf ein Comeback der Großen Koalition nun gestiegen?

Darabos: Darum geht es nicht. Die SPÖ wird als eigenständige Partei zur nächsten Wahl antreten und dann auf Basis unserer Forderungen, Vorstellungen und Programmen eine Mehrheit für eine Regierungsbildung zu suchen.

Dvorak: Die aktuelle politische Diskussion zeigt einmal mehr, das eine Koalition mit der ÖVP für die Sozialdemokratie keine Option sein kann.