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Wie die Bilder einander doch gleichen: Die Hände der "mad brains" Caligari (ganz oben) und Strangelove (oben) verkrampfen sich

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Einmal ehrlich: Wenn Sie gefragt werden, wie Sie sich Wissenschafter vorstellen, würden Sie nicht "verschroben", schrullig" oder "konfus" antworten? Nicht, weil Sie so schablonenhaft denken. Keineswegs. Ihre Vorstellung von Wissenschaftern wurde jahrzehntelang von Bildern geprägt, die sich in Ihrem Kopf festgesetzt haben.

Transportiert nicht zuletzt durch das Kino, wo es nicht nur die ganz normal "schrulligen Wissenschafter", sondern auch noch viele abseitige Exemplare des Typus gibt: die von einer Idee Besessenen, die durch Selbstexperimente mutieren (Die Fliege), ungeahnte Fähigkeiten erlangen (Der Mann mit den Röntgenaugen), eine zweigeteilte Persönlichkeit haben (Dr. Jekyll und Mr. Hide), die vielleicht auch herrschsüchtig sind (Das Kabinett des Dr. Caligari), kurz: verrückte Dinge tun, um Ziele zu erreichen, die in einem "normalen Hirn" gar keinen Platz haben. "Mad Brains" eben, wie das "Kino unter Sternen" (ab 1. 7. im Augarten in Wien) eine kleine Reihe von Filmen über sie nennt.

Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist Stanley Kubricks Dr. Strangelove, der bei Physikern bis heute offenbar gemischte Gefühle hervorruft. Ein Wissenschafter als Entwickler einer zerstörerischen Erfindung - eine Realität, an die man sich nicht gewöhnen mag. Kurt Hingerl, Leiter des Doppler-Labors für Oberflächenoptische Methoden, glaubt in Anspielung an den Filmtitel, dass es keine Wissenschafter gab, "die die Bombe liebten, sondern leider nur welche, die entweder aus Überzeugung für die Politik der Abschreckung noch abschreckendere Waffen entwickelten (wie J. Robert Oppenheimer) oder aus Angst um die Menschheit, obwohl sie überzeugte Pazifisten waren (wie Albert Einstein)".

Heute würde man wohl zu einem Labor, das für ein Militär oder für die Politik arbeitet, neudeutsch Thinktank sagen. "Intelligente Leute, die die strategische Richtung für ihre Geldgeber festlegen, nicht frei von deren Interessen, aber übereinstimmend mit den eigenen Anschauungen", sagt Hingerl.

Die Realität zwar, aber auch nur ein Bruchteil von ihr, wie der Physiker betont. Es gebe hinreichend Wissenschafter, die ihre akademische Freiheit nutzen, "die querdenken, die vorgegebenen Curricula entkommen wollen" - und diese Möglichkeit sollte man ihnen auch geben, ohne gleich zu denken, hier könnte ein "mad scientist" arbeiten. Manche von ihnen versuchen, ihre Erkenntnisse publikumswirksam zu präsentieren (der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger), manche sitzen im berühmten Elfenbeinturm und sind nicht ganz so populär wie ihre Kollegen, leben also eher von Förderungen und Kleinaufträgen. Sie seien aber "um nichts weniger wichtig". Die Normalität, die im Kino kaum in Erscheinung tritt, weil sich spannende Geschichten eben leichter über extreme Protagonisten erzählen lassen.

Wie kann man also gegensteuern, damit trotz cineastischen Vergnügens die Antwort auf die eingangs gestellte Frage nicht immer "verschroben", schrullig" oder "konfus" lautet? Man sollte mehr kommunizieren, was Wissenschaft bedeutet, so Hingerl. "Im Detail nachdenken und das große Ganze - dazu gehören auch ethische Aspekte - im Blickfeld haben." Und man sollte der Öffentlichkeit klar machen, dass man hier "mächtige Mittel in Händen hat, um technische, wirtschaftliche und soziale Probleme zu analysieren und zu lösen und dass dieses Lösen Spaß macht". Ob diese Botschaft ankommen wird? (Peter Illetschko/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 6. 2005)