Mahmud Ahmadinejad ist ein völlig unbeschriebenes Blatt, was seine Vorstellungen von Außenpolitik betrifft. In seinem Strategiepapier lässt er seine sozialrevolutionäre Sympathie zwar auch den "sechs Milliarden Menschen" weltweit zukommen, die "meist mit den Verhältnissen in ihren Ländern nicht einverstanden" sind, was das aber für Irans Beziehungen zur Außenwelt bedeutet, ist unklar. Die Formulierung, dass diejenigen, die "auf schönen Boulevards im Ausland spazieren gehen", kein Vorbild für die Iraner sein können, ist nicht nur eine gesellschaftspolitische Ansage, sondern lässt auch auf ein tiefes Misstrauen dem Ausland gegenüber schließen.

Im Teheraner Außenministerium bemühte man sich am Wochenende zu beschwichtigen: Man solle den kommenden Präsidenten nicht vorverurteilen, es seien auch keinerlei Änderungen in der iranischen Atompolitik - das heißt wohl, kein Abbruch der Gespräche zwischen Iran und den EU-3 (Großbritannien, Frankreich und Deutschland) - vorgesehen.

Selbstmord

Der Streit um das Uran-Anreicherungsprogramm, das der Iran nach Willen des Westens aufgeben soll, könnte nach Befürchtungen mancher Beobachter eskalieren, wenn er auf iranischer Seite nur mehr von Hardlinern dominiert wird. Wie alle anderen iranischen Politiker betont Ahmadi-Nejad das Recht des Iran auf friedliche nukleare Forschung: Die technische Entwicklung des Iran ist ihm schon von seinem beruflichen Hintergrund her - er selbst ist Techniker - ein Anliegen. Er ist auch nicht der erste iranische Politiker, der seine Warnung vor einem Angriff auf den Iran mit einer Drohung verbrämt: "Jeder Angriff auf uns wird für den Angreifer einem Selbstmord gleichkommen."

Vom bei den Wahlen unterlegenen Ali Akbar Hashemi Rafsanjani wurde nach den Wahlen eher eine pragmatische Vorgangsweise im Atomstreit erwartet und vor allem der Mut, das auszusprechen, was aus nationalistischen Gründen im Iran sehr schwierig zu sagen ist: dass ein Verzicht des Iran auf eine eigene Uran-Anreicherung im nationalen Interesse sein könnte, mehr, als es der Besitz dieser Technologie wäre. Für Iraner und Iranerinnen war dies - und damit die Verbesserung der Beziehungen zu den USA - bei dieser Wahl aber offensichtlich kein Kriterium.

Schwäche des Amtes

Sicher ist, dass die iranische Atompolitik nicht vom Präsidenten entschieden wird. Was man, ganz generell gesprochen, bei Khatami bedauert haben mag, kann jetzt im Ausland als Beruhigung gelten: die Schwäche des Amtes. Und vielleicht gilt ja das, was der Iranist Bert Fragner in Bezug auf die innenpolitische Zukunft spekuliert - dass der religiöse Führer, Ayatollah Khamenei, die Rolle des gütigen Opapas übernehmen könnte -, auch für die zukünftige iranische Außenpolitik. Ganz glauben kann man es nicht. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2005)